Die Herrin der Pyramiden
fantastischen Blick über die Residenz und die Hauptstadt Mempi.
Ich erzählte Kamose von meinem Projekt und zeigte ihm den neuen Baugrund am Horizont. Dann erläuterte ich ihm im Bauzelt meine Pläne.
»Wie viele Arbeiter wirst du benötigen, Nefrit?«
»Zweitausend dürften ausreichen.«
»Bist du deshalb hier?«
»Nicht nur deshalb, Kamose. Meinen Berechnungen nach dürftest du mittlerweile ungefähr fünftausend Arbeiter zu viel haben.«
»Ich habe keinen einzigen Arbeiter zu viel, Nefrit. Nefermaat hat erneut die Bauzeit für das Grabmal verkürzt, als habe sein Bruder es eilig zu sterben. Die Pyramide soll nun in sechs Jahren fertig gestellt sein. Weil ich die Steinverleger auf der kleiner werdenden Plattform nicht mehr effektiv einsetzen kann, habe ich ihre Zahl halbiert und einen Teil als Steinbrucharbeiter eingesetzt. Die Pyramide wächst schneller denn je, aber auch diese Geschwindigkeit reicht Nefermaat noch nicht aus. Jedes Jahr wird er ungeduldiger. Es scheint, als ob er sich selbst zu Lebzeiten auch noch eine Pyramide bauen wollte.«
»Wie stabil ist die Pyramide?«
»Wegen der Sandschichten unter dem Fundament würde ich sie als Hefekuchen bezeichnen, der jederzeit in sich zusammenfallen kann. Bei der Geschwindigkeit, mit der wir hier bauen, hatte das Fundament noch keine Gelegenheit, sich erneut zu setzen. Ich erwarte irgendwann in den nächsten Wochen ein erneutes Beben.«
Kamose reichte mir wortlos einen Winkelmesser, den ich an der Pyramidenseite anlegte. Der Winkel verlief exakt im Verhältnis vier zu eins, wie die Planungen es vorgesehen hatten. Zwischen den beiden anvisierten Eckpunkten verschwand die Linie der Pyramidenseite hinter dem Winkelmesser.
»Sie verformt sich bereits!«, erläuterte Kamose.
»Ist mittlerweile entschieden, was mit der Pyramide von Pihuni geschehen soll?«, fragte ich.
»Nefermaat schiebt diese Entscheidung Jahr für Jahr hinaus. Möglicherweise plant der König dort die Beisetzung der Königin. Aber das ist nur ein Gerücht.«
»Vielleicht braucht Seneferu sie eines Tages selbst.«
Die zweitausend Bauarbeiter, Schmiede, Köche und Verwalter trafen zwei Wochen später auf der Baustelle nördlich von Mempi ein und begannen mit den ersten Ausschachtungsarbeiten für die Fundamente der Wirtschafts- und Verwaltungsgebäude.
Mein Leben spielte sich nun tagsüber auf der Baustelle ab, während ich abends in den Palast zurückkehrte, um mich den Planungen im Garten meiner Wohnung zu widmen. Manchmal nahm ich die Abendmahlzeit mit Iset und Amenemhet ein. Ihre Söhne Ramesse und Hesire sah ich nie. Ramesse hatte seine Ausbildung als Schreiber abgeschlossen und auch die Militärakademie besucht und als General verlassen.
»Wo ist er jetzt?«, fragte ich.
»Er soll sich in Jebu befinden. Von dort kam sein letzter Brief.« Keine Spur einer besorgten Mutter in Isets Gesicht.
»Was tut er dort?«
»Er sieht sich das ganze Land an. Von Jebu aus will er nach Tbot und Nekhen, dann nach Weset reisen.«
»Wann kommt er zurück?«
»Wenn er sich alles angesehen hat.«
Wenige Tage vor Jahresende erschien ein Bote der Königinmutter an meinem Schreibtisch im Garten, als ich gerade zur Baustelle aufbrechen wollte. Meresankh forderte mich auf, sie zu besuchen.
»Der Termin ist festgelegt, Nefrit.« Mit diesen Worten empfing sie mich unter einem Sonnensegel in ihrem Garten.
»Welcher Termin, Mutter?«
»Seneferu wird einen Thronfolger ernennen.«
»Wann?«
»Am ersten Neumond des achtzehnten Regierungsjahres werden die dafür notwendigen Prüfungen stattfinden. Rahotep, Aserkaf und Khufu sind nun alt genug, um regieren zu können. Er wird sich für einen von ihnen entscheiden.«
Ich nickte, sagte aber nichts. Eine Dienerin reichte mir einen Becher gekühlten Gerstenbieres.
»Das scheint dich nicht zu interessieren, Nefrit.« Meresankh ließ mich nicht aus den Augen.
»Nicht besonders.«
»Willst du nicht Königin von Kemet werden?«
»Diese Frage habe ich dir schon vor drei Jahren beantwortet.«
»Ich hatte gehofft, dass du deine Meinung ändern würdest. Ich habe dich beobachtet in den letzten Monden, seit du hier im Palast lebst. Du bist eine Frau, die gern Verantwortung übernimmt. Und du arbeitest hart und ausdauernd wie ein Mann. Ideale Voraussetzungen.«
»Ideal wofür?«
»Die Frau an der Seite eines Lebendigen Gottes zu sein.«
»Rahotep kritisiert jetzt schon ständig an mir herum.«
Meresankh lachte. »Rahotep kritisiert alles, was
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