Die Herrin der Pyramiden
schweben. War das die leichte Bewegung der Wellen unter der Barke? Ich hatte von der Meerkrankheit erzählen hören, die einen Menschen befallen konnte, der es nicht gewohnt war, auf einem Schiff zu reisen.
Den nächsten Tag verbrachte ich auf meinem Bett, weil sich mein Zustand nicht gebessert hatte. Rahotep erkundigte sich durch Ameni, warum ich nicht zum Frühstück erschienen sei. Ich war wütend. Er hätte selbst kommen können, um nach mir zu sehen!
Sobald der König und seine Söhne gegen Abend aus Pihuni zurückgekehrt waren, segelten wir mit dem frischen Nachtwind stromaufwärts.
Am nächsten Tag legten wir im Hafen der Stadt Kaïs an, deren Gott der schakalköpfige Anubis war. Der Aufenthalt in Kaïs und der Besuch des Tempels dauerte nur einen Tag und gegen Abend legten die Barken wieder ab, um stromaufwärts zu segeln.
Die nächsten Stationen waren Siut und Chentemin mit dem Min-Tempel. Bereits in Schmunu hatte Seneferu die Idee gehabt, dass Merit und ich unsere Ehemänner begleiten sollten. Also entsprach ich dem Wunsch und bestieg widerwillig Rahoteps Wagen, um mit ihm in einer prunkvollen Prozession in die Stadt Siut einzuziehen. Das Volk empfing seinen Herrscher und dessen Söhne durch das vorgeschriebene Küssen des Bodens. Aber der laute Jubel, der Seneferu bei jedem seiner Schritte begleitete, gehörte nicht zum Zeremoniell, war nicht inszeniert. Blüten und bunte Tücher wurden auf unserem Weg ausgestreut. Der Empfang in der nächsten Stadt war noch aufwändiger.
Während ich am Tag zuvor noch eher schüchtern neben Rahotep auf dem Wagen stand, grüßte ich jetzt das am Straßenrand sich niederwerfende Volk durch Lächeln und Winken. Einmal sah ich, wie sich der König nach mir umdrehte. Ich weiß nicht, woher die Menschen dieser Stadt überhaupt meinen Namen wussten, aber vereinzelt konnte ich Nefrit-Rufe hören.
Auch der Herrscher schien diese Rufe vernommen zu haben, denn er befahl meine Anwesenheit während des Einzuges in der Königsstadt Tis, unserem nächsten Aufenthalt. Die Rufe, die mir in Tis entgegenbrandeten, berührten mich in meinem Innersten: »Scheine auf uns herab, Prinzessin Nefrit!« und: »Lächele und Re wird scheinen!« und: »Da kommt die Geliebte der Götter!«
Die Tempelpriesterschaft von Abodu empfing Seneferu auf dem Landungssteg mit der Sonnenbarke des Osiris. Der Hohepriester hatte die Götterstatue aus dem Allerheiligsten des Tempels holen lassen, damit Osiris Seneferu begrüßen konnte. Dann begleitete uns der Gott durch die Stadt bis zum Tempel. Auch hier vernahm ich wieder die lauten Rufe nach einem Lächeln oder Winken von mir. Merit warf mir von Aserkafs Wagen aus nachdenkliche Blicke zu. Henutsen, die Khufu begleitete, schien es nichts auszumachen.
Die Sonnenbarke ankerte drei Tage und zwei Nächte im Hafen von Abodu, bevor wir die Reise zum Hathor-Tempel von Yunet und nach Weset fortsetzten.
In Weset empfingen uns Fürst Sarenput und seine Gemahlin Iya im Palast des Gaufürsten. Die zwei Tage unseres Aufenthaltes waren angefüllt mit Empfängen und Audienzen, mit Gerichtsverfahren und Steuerprozessen. An einem Abend fand ein Essen der königlichen Familie im Fürstenpalast statt, an dem Sarenput als Neffe des Königs mit Iya teilnahm.
Während unseres Aufenthaltes in Weset hatte ich keine Möglichkeit, allein mit Sarenput zu sprechen, und war darüber nicht unglücklich. Auch er bemühte sich um kein Treffen mit mir, wie mir Sekhem versicherte.
In Weset ging Ramesse, der Sohn von Amenemhet und Iset, an Bord der
Ankh
und begleitete uns stromabwärts. Ich sah ihn nur ein Mal von weitem im Gespräch mit Aserkaf am Bug der
Ankh
. Die Reise zurück nach Mempi dauerte fast zwei Wochen.
Unser Aufenthalt in Iunu war für drei Tage geplant. So lange würden die feierlichen Zeremonien zur Einsetzung von Rahotep als Hohepriester des Re dauern.
Während der endlosen Zeremonien und Rituale für den Sonnengott, der Prozessionen und Weihrauchopfer, der Huldigungen der Gottesdiener und Propheten für den neuen Hohepriester war ich nicht ganz bei mir. Die Schiffskrankheit hatte mich erneut befallen. Mir war übel und schwindlig und manchmal schwarz vor Augen. Nur unter großen Anstrengungen überstand ich die Strapazen der Zeremonien.
Ich verabschiedete mich nicht von Rahotep, als ich an Bord der
Udjat
ging, um nach Mempi zurückzukehren. Als Hohepriester des Re würde er nicht oft in der Hauptstadt weilen, und da auch ich auf der Baustelle viel zu tun hatte,
Weitere Kostenlose Bücher