Die Herrin der Pyramiden
Palast zurückgekehrt und bin ihm begegnet.«
Ich schwieg und spielte mit einer Schreibbinse herum.
»Er hat die Nacht in meinem Gästetrakt verbracht. Oder das, was von der Nacht noch übrig war, als er mir sein Leid geklagt hatte. Er hat Probleme mit Tiya.«
»Und das hat er dir erzählt?«
»Wir sind sozusagen Brüder im Leiden. Erst war ich mit Tiya verheiratet, nun er. Die beiden scheinen sich zu hassen. Ich habe ihm gesagt, dass er sich endlich eine zweite Frau nehmen soll, mit der er Kinder zeugt.«
»Und was hat er gesagt?«
»Er war schon ziemlich betrunken, als er mir gestand, dass er dich liebt.«
Ich sagte nichts. Die Schreibbinse war zerbrochen.
»Nefrit, solltest du dich jemals entscheiden müssen zwischen Sarenput und Ramesse, hoffe ich, dass du weißt, wen du wählen wirst. Ramesse hat keine Zukunft außerhalb von Buto.«
»Hat er denn eine Zukunft in Buto?«
»Das hängt von seinem Gespräch heute mit mir ab.«
Gegen Mittag kam Ramesse zu seiner Audienz beim Wesir. Zunächst empfing Kanefer ihn allein. Wenig später sah ich einen Schreiber seinen Arbeitsraum verlassen. Ich hielt ihn auf.
»Ich muss zu Sennedjem, Prinzessin. Der Wesir braucht sofort eine Audienz beim König!«
»Was ist geschehen?«
»Ich habe keine Ahnung, Prinzessin!« Dann war er fort, und ich kehrte in meinen Arbeitsraum zurück. Ein zweiter Schreiber wartete neben meinem Schreibtisch auf mich. »Der Wesir bittet dich zu sich.«
Ich betrat Kanefers Arbeitsraum. Er stand an einer Landkarte aus Papyrus, die an der Wand befestigt war, Ramesse saß vor dem Schreibtisch. Beide beachteten mich nicht, als ich den Raum betrat. »... und wo, glaubst du, ziehen sie ihre Truppen zusammen?«, fragte Kanefer seinen Cousin.
»Nordwestlich des Salzmeeres. In der Nähe von Jericho.«
»Wie konnten sie unbemerkt so tief in das Gebiet vordringen?«
»Sie sind schnell.«
»Streitwagentruppen oder nur Reiter?«
»Ausschließlich Reitertruppen.«
»Was tun sie?«
»Meinen Informationen zufolge warten sie auf irgendetwas. Sie bewegen sich nicht.«
»Auf was könnten sie warten, Ramesse?«
»Auf ein Zeichen, würde ich vermuten.«
»Und du bist sicher, dass es keine Nomadenkrieger aus Edom, Moab oder Ammon sind?«
»Es sind Sumerer«, antwortete Ramesse.
»Sumerer in Jericho?«, fragte ich ungläubig. »Wie kommen die dahin? Was ist mit Fürst Adonijas Grenzfestungen?«
»Die reichen nicht so weit südlich, Nefrit.«
»Und was hat Fürst Adonija unternommen, um unsere Grenzen zu schützen?«, fragte ich zurück.
»Sein Bruder, General Abischai, nähert sich den Sumerern von Norden mit einer schnellen Reitertruppe.«
»Und was bedeutet das?«
»Krieg!«, sagte Ramesse. »Das bedeutet, dass wir uns im Krieg befinden mit Sargon.«
»Er hat uns keine Kriegserklärung übermittelt«, erklärte ich.
»Er hat dem Frieden nie formell zugestimmt«, ergänzte Kanefer meine Ausführungen.
»Es dauert Wochen, bis zwei oder drei Regimenter Jericho erreichen können«, gab ich zu bedenken.
In diesem Augenblick stürzte ein Schreiber in den Raum: »Seine Majestät bittet dich zu sich, Wesir. Jetzt gleich.«
Aber Kanefer, Ramesse und ich sollten noch einige Zeit warten, bevor wir zu Seneferu vorgelassen wurden. Kanefer lief unruhig im Vorzimmer auf und ab, während Ramesse auf einem Stuhl Platz genommen hatte. Irgendwann riss Kanefer der Geduldsfaden, und er stürmte an Sennedjem vorbei durch die Tür des Arbeitsraums.
»Bitte, mein Prinz, du kannst nicht … Seine Majestät ist …«
Seneferu saß in seinem Garten hinter dem Arbeitstrakt und schrieb an einem Dokument. Als wir drei uns näherten, sah er auf.
»Du wolltest mich sprechen, Kanefer?«
»Ja, Majestät.«
»Was tut Ramesse hier?« Seine Stimme war ruhig, seine Augen kalt. Ramesse fiel vor Seneferu auf den Boden und küsste den Staub.
»Ramesse ist der Grund meines Kommens, Majestät.«
»Ich dachte, meine Befehle waren eindeutig. Ich hatte ihm verboten, nach Mempi zurückzukehren. Hast du ihn herbefohlen, Kanefer?«, fragte der König.
»Nein, Majestät. Es war seine eigene Entscheidung. Er hat wichtige Informationen über sumerische Truppenbewegungen bei Jericho, nordwestlich des Salzmeeres.«
»Ich weiß, wo Jericho liegt! Ich nehme nicht an, dass du in Buto deine Sprache verloren hast, Ramesse.«
»Nein, Majestät! Der Fürst von Amurru hat mir durch einen Boten Informationen über ein sumerisches Reiterheer überbringen lassen. Es handelt sich um
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