Die Herrin der Pyramiden
Kanefer nach der Besprechung beim König in seinen Arbeitsraum zurück, und ich legte ihm die Dokumente des Tages vor. Dann verabschiedete ich mich, weil ich vor Sonnenuntergang noch die Baustelle der Knickpyramide besuchen wollte, um nach dem Baufortschritt zu sehen.
Ich war überrascht, als Kanefer in meinem Arbeitsraum erschien, als ich gerade gehen wollte. Er ließ mich üblicherweise zu sich rufen und suchte mich nie selbst auf. »Du weißt, was das hier ist, Nefrit?«
»Das ist Rahoteps Testament«, antwortete ich.
»Hast du es gelesen?«
»Nein.«
Eine Weile ging Kanefer schweigend in meinem Arbeitsraum auf und ab, dann setzte er sich langsam auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch. »Dann weißt du also nicht, was er über dich schreibt?«
»Nein.«
»Er rechnet damit, dass er von diesem Feldzug nicht zurückkommt. Er hat Verfügungen über seinen Besitz getroffen.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Es ist sein Besitz.«
»Er hat dir sein Vermögen überschrieben.«
Kanefer sah die Überraschung auf meinem Gesicht. »Hast du nicht damit gerechnet, Nefrit?«
»Nein.«
»Eine Villa in Pihuni hat er General Ti vermacht, den er einen persönlichen Freund nennt. Der Rest soll dir gehören. Weißt du, wie groß Rahoteps Vermögen ist?«
Ich antwortete nicht. Warum hatte er Ti nicht mehr vermacht?
»Er hat auch Verfügungen getroffen, die deine Person betreffen. Sollte er in diesem Feldzug fallen, hat er mich gebeten, dass ich mich um dich kümmere. Ich soll dich heiraten, Nefrit.«
Am nächsten Morgen rückten die drei Regimenter unter der Führung von Rahotep, Ramesse und Djedef in Richtung Sinai ab. Wegen der Bedrohung des Reiches war auf einen triumphalen Auszug aus Mempi verzichtet worden. Es dauerte mehrere Stunden, bis die fünfzehntausend Krieger mit ihren Kampfwagen und Pferden, mit den Lasttieren und dem Begleittross die Stadt verlassen hatten und der Staub sich gelegt hatte. Im Palast hatte sich der Staub noch lange nicht gelegt. Khufu sprach zwei Tage nicht mit seinem Vater, weil er den Feldzug nicht anführen durfte.
In den kommenden Wochen verbrachte ich meine Tage im Ministerium, die späten Nachmittage auf der Baustelle der Pyramide, deren Knick sich mit steigender Bauhöhe immer deutlicher zeigte. Trotz des flacheren Neigungswinkels würde sich die Fertigstellung noch etliche Monde hinziehen.
Nach vier Wochen trafen die ersten Nachrichten der drei Regimenter in Mempi ein. Achtzehn Tage nach ihrem Aufbruch in der Hauptstadt hatten die Truppen den Sinai erreicht. Djedef riegelte mit seinem Regiment den südlichen Sinai ab, um für Rahoteps und Ramesses Truppen den Durchzug durch das feindliche Gebiet zu sichern. Ich war erst vor einigen Monden selbst durch diese Gegend gereist und nicht angegriffen worden. Wie sehr hatte sich die politische und militärische Lage seit dieser Zeit verändert!
Eine Woche später erhielt der Wesir die Nachricht, dass die beiden Regimenter Gaza erreicht hatten. Bisher waren die beiden Generäle auf keine sumerischen Einheiten gestoßen. Zwei Tage später traf ein Kurier von Djedef in Mempi ein, der berichtete, dass er durch die Stämme im Sinai immer wieder in kleinere Gefechte verwickelt wurde, die ihm zwar keine großen Verluste brachten, ihn aber hinderten, die Regimenter von Rahotep und Ramesse durch Einheiten zu verstärken. Er hatte beschlossen, seine Stellung zu halten.
In der Zwischenzeit hatte ich den Hofarzt Meru aufgesucht, weil mir Ninsuns Gesundheitszustand Sorgen machte. Er hatte mir bestätigt, dass ihre Schwangerschaft nicht ohne Komplikationen war. Sie sei sehr klein und ihr Becken sehr eng. Der Vater des Kindes sei mit dreieinhalb Ellen hoch gewachsen, und das Kind, das er bereits ertasten könne, entsprechend entwickelt.
»Warum steht das nicht in deinem Bericht?«
»Was sollte ich schreiben, Prinzessin? Ich werde die Geburt früh genug einleiten, um Mutter und Kind nicht zu gefährden.«
»Besteht denn Gefahr?«
Er zögerte. »Ich weiß es nicht, um die Wahrheit zu sagen. Das Kind ist bereits jetzt sehr groß für sein Alter, und die Mutter ist sehr zerbrechlich. Ich werde die Geburt im siebten Mond einleiten müssen. Das ist sehr früh. Außerdem werde ich schneiden müssen.«
Merit hatte ich seit Wochen nicht gesehen. Vor sechs Wochen hatte sie ihrem Sohn Kawab das Leben geschenkt.
Als ich sie in ihrem Garten traf, spielten Merenptah und Djedefre mit kleinen Holzbooten im Papyrusteich. Eine Amme trug den kleinen
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