Die Herrin der Pyramiden
brachte sie den beiden Herrschern. Sargon hatte mich keinen Moment aus den Augen gelassen.
»Warum sollte ich einerseits deine Tochter Ninsun töten und deinen Sohn Urnammu verschonen?« Ich übersetzte Seneferus Worte, während ich Sargon einen Becher anbot.
Sargon antwortete immer noch nicht.
Für einen Augenblick fiel die Anspannung von Seneferu ab, als er den Becher nahm. Seine Hand berührte die meine, seine Augen lächelten in einem erstarrten Gesicht. Sargon musste unseren Blickwechsel bemerkt haben, denn er stellte den Becher weg, ohne zu trinken. »Wein aus Kemet bekommt meiner Gesundheit nicht.«
»Der Wein schenkt ein langes Leben, Majestät.« Mit diesen Worten ergriff ich seinen Becher und leerte ihn. Der Wein war stark und stieg mir sofort zu Kopf. »Wenn Ihr Kemet erobern wollt, solltet Ihr Euch an den Geschmack des Weines aus dem Papyrusland gewöhnen, Majestät. Oder habt Ihr Angst, dass er zu stark für Euch ist?«
Ich schenkte seinen Becher wieder voll und reichte ihn dem König von Sumer. Er ergriff den Becher zögernd.
»Kein Wein ist zu stark für mich, aber vielleicht das darin enthaltene Gift.«
»Seneferu und ich haben auch davon getrunken.«
Sargon sah mich an und leerte den Becher. Auf den Boden.
»Ich trinke nur Wein aus meinem eigenen Reich. Sobald Kemet dazugehört, werde ich Wein aus Kemet trinken.«
Nach der Besprechung der beiden Könige kehrte ich zu meinem Zelt zurück. Ein Hauptmann des Ptah-Regiments, der von einem sumerischen General begleitet wurde, fing mich ab. »Prinzessin Nefrit? König Scharrukena bittet dich zu sich.«
Sargons Zelt stand inmitten seines Lagers. Auf halbem Weg in das feindliche Lager fiel mir ein, dass ich weder eine Eskorte dabeihatte, noch dass ich irgendjemandem Bescheid gesagt hatte, wohin ich fuhr. Wie leicht konnte man mich als Geisel nehmen! Ich verfluchte meine Unvorsichtigkeit.
Urnammu, Mesilim und Rimusch waren bei ihrem Vater. Sie lagen auf Kissen um ein Kohlenbecken und tranken Wein.
Nachdem ich den König durch eine höfliche Verbeugung begrüßt hatte, nickte ich den Prinzen nur kurz zu. Urnammu hielt den Blick abgewendet. Mesilim lächelte mich an, und Rimuschs Blick blieb unverhohlen auf meinen Körper geheftet, der durch das dünne Leinengewand schimmerte.
»Du bist ohne Eskorte gekommen, Nefrit?«
»Ja, Majestät.«
»Das war unvorsichtig.«
»Manchmal muss man Risiken eingehen«, gestand ich ihm zu.
Er lachte amüsiert. »Du sprichst wie ein General.«
»Ich dachte, wir befinden uns im Krieg, Majestät!«, konterte ich.
Sargon hatte sich erhoben und goss einen fünften Becher Wein ein, den er mir reichte. Er setzte sich nicht wieder, sondern blieb vor mir stehen. »Wer bist du, Nefrit?«
Ich sah ihm in die blauen Augen. »Ich bin Kemet.«
»Ich werde Kemet erobern!«
»Die Beiden Länder lassen sich nicht erobern. Das ist noch nie jemandem gelungen!«
»Dann wird Kemet sich mir freiwillig ergeben.«
Ich lächelte undurchsichtig und sagte nichts.
»Du glaubst mir nicht, Nefrit?«
»Nein.«
»Lasst mich mit ihr allein!«, befahl Sargon seinen Söhnen, die sich zögernd erhoben und das Zelt verließen. Urnammu warf mir einen wütenden Blick zu.
»Warum setzt du dich nicht zu mir und trinkst einen guten Wein aus Akkad?«
»Ich will jetzt keinen Wein trinken, Majestät.«
»Auch ich trinke davon, Nefrit. Er ist nicht vergiftet.«
»Das hatte ich auch nicht angenommen. Ich will bei klarem Verstand bleiben.«
Er setzte sich auf eines der Kissen. Als er auf ein Kissen neben sich deutete, nahm ich ihm gegenüber Platz. Seine Lippen verzogen sich. Mein Widerstand schien ihn zu amüsieren.
»Urnammu hat mir berichtet, dass du immer alles ganz genau erforschen willst. Bist du deshalb gekommen? Willst du mich erforschen? Deinen Feind? Den Feind von Kemet?«
Ich antwortete nicht.
»Erforsche mich, Nefrit! Ich stehe hilflos vor dir, keiner meiner Generäle wird eingreifen, wenn du deine Fragen wie Pfeile losschießt. Was willst du wissen? Die Stärke meiner Regimenter? Ich habe noch siebenundzwanzigtausend Mann, mit denen ich in Kemet einfallen könnte. Die Bewaffnung? Ich habe mehrere hundert Streitwagen mit Vierergespannen. Die Pferde stammen aus den Steppen meines Reiches und sind sehr schnell. Meine Männer tragen Bronzeschwerter, Schilde, Bogen und Pfeile sowie Streitäxte. Die Helme sind aus Leder und Bronze. Die Schlachtordnung? Ich greife gern über den rechten Flügel an.«
»Ich bin erstaunt,
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