Die Herrin der Pyramiden
welchen Ruf ich in Eurem Lager genieße!«
»Mein Sohn Urnammu hat dich in den höchsten Tönen gelobt, Nefrit. Mir scheint, er hat die Zeit mit dir sehr genossen.«
»Er war nicht in meinem Bett.«
Sargon war überrascht. »Ich dachte …«
»Ich bin an ihm nicht interessiert, Majestät«, sagte ich mit fester Stimme.
»Und Mesilim? Du hast ihn in Buto getroffen.«
»Er ist noch ein Kind.«
»Er ist einer meiner Generäle.«
»Ich bin nicht interessiert.«
»Was interessiert dich?«
»Macht.«
Sargon lächelte. »Wir sind uns sehr ähnlich. Macht ist …«
»Macht in Verbindung mit der Stärke des Geistes. Macht, die die Weltordnung erhält und sie nicht zerstört.« Ich ließ die Worte einsickern. »Weder männliche Kraft noch Gewalt können mich beeindrucken.«
»Ich empfinde Lust an der Macht, sie berauscht mich. Andere Menschen sind zufrieden in ihrer Ohnmacht. Ich bin der Herr der Vier Weltgegenden, Nefrit. Ich gebe den Menschen ihre Weltordnung.«
»Mit Gewalt!«
Sargon lehnte sich auf seinem Kissen zurück und beobachtete mich. »Sie können sich unterwerfen.«
»Kein Mensch unterwirft sich für immer. Irgendwann wird er sich erheben.«
»Du sprichst von Kemet?«
»Ihr könnt Kemet erobern, Majestät. Es ist nicht groß im Vergleich zu den Reichen, die Ihr bisher erobert habt. Aber es ist größer als alle anderen zusammen. Für Euch ist es zu groß.«
»Wo, bei allen Göttern, warst du, Nefrit?», fragte Seneferu, als ich später am Abend sein Zelt betrat. »Ich habe mir Sorgen gemacht und das ganze Lager nach dir absuchen lassen. Ich wollte wegen der Verhandlungen morgen mit dir sprechen.«
Seneferu und Djedef hatten sich über eine Landkarte gebeugt, die auf einem Tisch im Zelt des Königs ausgebreitet lag. Ein Becher, zwei Dolche, das königliche Siegel und andere Gegenstände markierten sumerische Truppeneinheiten.
»Ich war bei Sargon«, gestand ich.
Der sumerische König hatte mich in das kemetische Lager zurückeskortieren lassen. Das Gespräch mit mir schien ihn amüsiert zu haben. Er war Widerspruch nicht gewohnt, weder von seinen Söhnen noch von seinen Generälen.
»Allein?«, fragte Djedef beunruhigt. Wie Seneferu hatte er seine Rüstung abgelegt und trug nur einen einfachen Schurz.
»Er bat mich zu sich. Es war keine Zeit ...«
»Was wollte er von dir?«, fragte Seneferu ernst.
»Er wollte mich kennen lernen. Wir haben uns lange unterhalten, und er hat mir viel von sich erzählt, von seinen Hoffnungen und Ängsten. Und von seinen Visionen.»
»Warum erzählt er dir von sich?«, fragte Djedef verwirrt.
Seneferu fragte nicht: Er wusste es.
Am nächsten Tag setzten die beiden Könige ihre Verhandlungen fort. Es war ein weiter und steiniger Weg, den beide gehen mussten.
Seneferu und Sargon verständigten sich darüber, dass Ninsun nicht ermordet worden war. Sie hatte ihr Leben als Opfer für den Frieden hingegeben, indem sie Seneferu einen Sohn schenken wollte. Seneferu wiederum erklärte sich bereit, Urnammu von seiner Beteiligung an Ramesses Verschwörung freizusprechen. Botschafter Tirigan, der in Mempi festgehalten wurde, sollte freigelassen werden, um nach Akkad zurückzukehren. Sargon würde einen neuen Botschafter entsenden.
Nach den Verhandlungen bat mich Sargon zu sich. Diesmal wurde ich von einer Eskorte von zwanzig Bewaffneten begleitet.
Urnammu erwartete mich vor dem königlichen Zelt.
»Wo ist Dein Vater?«
»Er bat mich, dich zu ihm zu bringen. Er spielt.«
Bevor ich fragen konnte, hatte Urnammu hinter mir meinen Wagen bestiegen, die Zügel ergriffen und fuhr mit halsbrecherischer Geschwindigkeit mit mir durch das sumerische Lager zu einer Anhöhe auf der gegenüberliegenden Seite der Zelte.
»Es wird dir gefallen!« versprach er. Urnammu hatte seinen rechten Arm um meine Hüfte geschlungen und führte meine Pferde mit der linken Hand.
»Was wird mir gefallen?«
»Das Spiel!«
Er hielt den Wagen an und stieg ab.
In der Ebene unterhalb der Anhöhe drängten sich zwanzig sumerische Reiter um einen Gegenstand in ihrer Mitte. Staub lag in der Luft. Im Gedränge der Menschen und Pferde konnte ich nicht erkennen, um was sie kämpften.
»Die Regeln sind einfach«, erklärte mir Urnammu. »Mein Vater hat heute eine Ziege schlachten lassen. Die Reiter müssen versuchen, die Ziege vom Boden aufzuheben und sie hinter der Markierung dort hinten abzuwerfen. Wer das schafft, kann das Fleisch behalten.«
»Das ist wirklich nicht
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