Die Herrin der Pyramiden
letzte Reise antreten.«
»Aber die Rituale sind erst in sechzehn Tagen …«
»Die Prinzessin wird mich begleiten, egal in welchem Zustand sie sich befindet! Ihr Vater will sie wiederhaben.«
»Ja, Majestät.«
»Nefrit, du kümmerst dich um Urnammus Abreise.«
Ich nickte.
»Rahotep, du wirst deine Ungeduld noch bis morgen zügeln müssen. Wir brechen bei Sonnenaufgang auf.«
Vom Erscheinungsfenster aus nahm der König die Parade der Regimenter ab, die mehr der Beruhigung der Bevölkerung und der Motivation seiner Krieger diente als irgendeinem anderen Zweck. Die vier Regimenter verließen die Hauptstadt unter dem Kommando der Königssöhne. Rahotep war am Vortag mit einer Barke des Sonnentempels aus Iunu eingetroffen. Djedkare hatte nach Djedefs Ernennung zum Fürsten von Amurru die Festungen in den westlichen Oasen an der libyschen Grenze kommandiert. Neferatum, Ramesses Nachfolger als Fürst von Buto, hielt sich schon seit Tagen in Mempi auf. Zwei weitere Generäle aus der Militärschule des Amun in Pihuni hatten das Kommando über die beiden neuen Regimenter übernommen, die noch nicht einmal den Göttern geweiht waren.
Khufu stand neben seinem Vater und betrachtete sein Heer. Der Oberkommandierende würde zusammen mit dem König die Truppen auf ihren schnellen Streitwagen einholen, sobald die sechs Regimenter Mempi verlassen hatten.
Als die letzten Krieger durch die Straßen von Mempi zogen, kam der König die Treppe zum Großen Hof herab. Bevor er und Khufu ihre Kampfwagen bestiegen, verabschiedete er sich von uns.
Er schloss die Königin Hotephores in die Arme, umarmte seinen Sohn Kanefer und dann auch mich. Bevor ich etwas sagen konnte, hatte er mich geküsst und war auf seinen Wagen gestiegen.
Khufu starrte mich an, Kanefer grinste verlegen.
Dann verabschiedete sich auch Khufu von mir durch ein Nasereiben, das wenig Zärtliches an sich hatte. Seit meinem Vorwurf, Sekhem umgebracht zu haben, hatten wir nicht einmal fünf Worte gewechselt.
»Die Nachrichten von der Front sind beunruhigend.« Kanefer lief wie ein Löwe in seinem Arbeitsraum auf und ab. »Mein Vater hat mir geschrieben. Die Schlacht zwischen ihm und Sargon hat in den Steppen östlich des Sinai stattgefunden. Keine der Parteien konnte siegen, die Verluste waren auf beiden Seiten hoch, sodass die Schlacht am folgenden Tag nicht fortgesetzt wurde. Die beiden Heere belauern sich in einer weiten Ebene. Die Könige haben beschlossen, vor weiteren Kämpfen zu verhandeln. Jeder der beiden Herrscher soll einen Übersetzer stellen. Sargon hat Urnammu vorgeschlagen, der gut unsere Sprache spricht. Mein Vater hatte mich erwählt, doch Sargon lehnte mich als Verhandlungsführer ab, weil mein Sumerisch nicht gut genug sei. Sargon hat nach dir gefragt.«
»Nach mir?«
»Urnammu muss ihm von dir erzählt haben und wie du dich um Ninsun bemüht hast. Außerdem meint er wohl, Seneferus Position zu schwächen, wenn er eine Frau als Verhandlungsführer vorschlägt.«
»Was sagt dein Vater dazu?«
»Er bittet dich, zu ihm zu kommen.«
Kanefer hatte bereits eine Eskorte für mich bereitgestellt. Wenige Stunden später war ich mit achtzig bewaffneten Reitern und zwanzig Streitwagen aus dem Palastregiment unterwegs nach Osten. Ich nahm den bekannten Weg über Iunu, Pibastet, vorbei am Schilfmeer, durch die sinaitischen Berge bis in die Negev-Wüste.
Ich war zehn Tage unterwegs, bis ich von einer Anhöhe aus die beiden feindlichen Heere sah. Es war ein gewaltiger Anblick: Fast sechzigtausend Krieger lagerten in der Ebene.
Als ich im Lager ankam, hatte ich nicht einmal Gelegenheit, mir das Gesicht zu waschen und die Augen zu schminken, bevor ich zu Seneferu geführt wurde. Er war in einer Besprechung mit seinen Generälen. Auf Klappstühlen saßen Rahotep und Khufu, Neferatum und Djedkare, Seneferus Schwiegersohn Senhotep, General Antef und General Nekure sowie Seneferus persönlicher Adjutant Teti um den König herum.
»Nefrit! Endlich bist du gekommen!«, begrüßte Seneferu mich.
»Majestät, ich bin so schnell wie möglich …«
»Setz dich zu uns, Nefrit. Wir haben dich erwartet.«
»Was ist geschehen, Majestät?«
»Die Schlacht hat stattgefunden, Nefrit. Wir haben an einem Tag fast ein ganzes Regiment verloren. Die Sumerer kämpfen mit unglaublicher Härte. Ihre Schwerter sind von besserer Qualität als die unseren, ihre Pferde sind schneller. Nach der Schlacht haben Sargon und ich uns wegen der hohen Verluste auf
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