Die Herrin der Pyramiden
exzellenten Weines aus Akkad.
Er lehnte sich auf das Kissen. Er war nicht einmal zwei Handbreit von mir entfernt. »Du hast sicher schon von König Lugalzagesi gehört?«
»Du hast ihn entmachtet und hinrichten lassen.«
Er bemerkte mit einem leisen Lächeln, dass ich eine Handbreit von ihm abgerückt war. Nicht mehr und nicht weniger.
»Lugalzagesi und ich hatten eines gemeinsam: wir kamen beide von ganz unten und waren überzeugt, dass uns die Götter wohlgesinnt waren. Lugalzagesi stürzte den König seiner Heimatstadt Umma und machte sich zum Ensi, zum Herrscher der Stadt. Er eroberte und zerstörte das benachbarte Lagasch, überfiel eine Stadt nach der anderen, schließlich auch das mächtige Uruk. Er schmückte sich mit allen Königstiteln des Landes.
Fünfundzwanzig Jahre dauerte seine Herrschaft über Sumer. Durch seine Härte und Grausamkeit hatte er sich viele Feinde gemacht. Die entmachteten Stadtfürsten sahen in ihm nicht den rechtmäßigen Herrscher, sondern den Unterdrücker. Trotzdem gab es niemanden, der sich erfolgreich gegen ihn erhoben hätte.«
»Einen gab es«, warf ich ein. Ich steckte mir eine Dattel in den Mund und war überrascht, dass sie bereits entsteint war.
»Ich war damals bereits Mundschenk des Königs Urzaba von Kisch. Ich verstand es, sein Vertrauen zu gewinnen.«
»Du hast ihn verraten, Majestät.«
Er beugte sich zu seinem Becher vor, der auf einem Tablett vor seinem Kissen stand. Nachdem er getrunken hatte, veränderte er erneut die Lage auf seinem Kissen und verringerte meinen Sicherheitsabstand zu ihm.
»Ich habe ihn gestürzt. Er war schwach und hatte keinen Rückhalt bei den adeligen Familien von Kisch. Mit einer Handvoll meiner Freunde besetzte ich Kisch und vertrieb Lugalzagesis Besatzungstruppen. Mit meinen Männern eroberte ich den Norden Sumers, bevor Lugalzagesi reagieren konnte. Zunächst forderte ich von ihm meine Anerkennung als Herrscher des Nordens, die er mir unvorsichtigerweise verweigerte. Ich eroberte daraufhin den Süden des Reiches und unterwarf die mit Lugalzagesi verbündeten Ensis. Der König war ein Feigling und wich mir in vierunddreißig Schlachten aus. Er erwartete mich mit seinem Heer vor der Hauptstadt Uruk. Er erwartete seinen Tod.«
»Du hast ihn vor dem Tempel Enlils hinrichten lassen.«
»Ein Gott, der es zulässt, dass ein König besiegt und gestürzt wird, der als Herr des Tempels die Schande des Königs mit ansah, ohne einzugreifen, musste sich von diesem Herrscher abgewandt haben. Enlil gab mir Recht. Und meinen Eroberungen.«
»Ein geschickter politischer Spielzug.«
Ich rutschte zwei Handbreit von ihm weg, doch er ergriff meine Hand, um mich an der Flucht zu hindern.
»Ich spiele gerne.«
»Auch mit Menschen?«
»Sogar mit Völkern, Nefrit. Ich erschaffe die Geschichte.«
»So wie du Deine Hauptstadt Akkad erschaffen hast?«
«So wie ich meine eigene Vergangenheit erschaffen habe. Nichts, was man von mir erzählt, entspricht der Wirklichkeit. Ich bin nicht der Sohn einer Inanna-Priesterin. Und ich bin auch nicht als Sohn eines Gärtners in Akkad aufgewachsen.
Ich bin der Sohn der Sonne, des Mondes und des Sturmes. Ich bin der Sohn von Enlil und Inanna.»
Ich entzog ihm meine Hand. «Wenn du ein Gott bist, Majestät, wozu eroberst du dann ein Reich?«
«Ich bin arm geboren, genau wie Du, Nefrit. Und ich habe mir geschworen, nie wieder arm zu sein. Ich will Akkad zur schönsten, glanzvollsten Stadt des ganzen Reiches Sumer machen. Dazu benötige ich Kupfer und Silber und Gold, alles was Sumer nicht besitzt.«
«Du kannst Handel treiben.«
Sargon lachte. «Handel treiben! Womit denn? Mit Sand? In Sumer gibt es nicht einmal Steine! Der Krieg ist der einfachste und schnellste Weg, mir das zu beschaffen, was ich benötige.« Dann kam er ganz nah und flüsterte in mein Ohr: «Nirgendwo treffe ich auf unüberwindlichen Widerstand.«
«Kemet wird Widerstand leisten!« verriet ich ihm und er verstand.
«Es ist eine Frage der Zeit, bis der Widerstand gebrochen ist!«
Es war an der Zeit, unsere Unterhaltung aus dem verfänglichen Dickicht von Zweideutigkeiten herauszuführen.
«Ich habe davon gehört, wie du in den von dir unterworfenen Ländern die freie Wirtschaft zugelassen hast und wie du die unterworfenen Untertanen am Geschäft beteiligt hast. Viele Händler kamen durch Deine Eroberungen zu Reichtum, besonders aber die Händler von Akkad. Du hast Akkad zur Handelsmetropole gemacht. Dein Reich gründet auf Blut und
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