Die Herrin der Pyramiden
grenzenlos. Sein Interesse an meiner Person schien dagegen eher noch zuzunehmen. Er hatte seine Beziehung zu Iya beendet und sie nach einem für die Palastwachen unüberhörbaren Streit aus dem Palast geworfen. Iya hatte, außer sich vor Zorn über Khufus plötzliche Interesselosigkeit, mit ihren kostbaren Möbeln eine Villa am Stadtrand von Mempi bezogen und wartete ungeduldig darauf, dass ihr Prinz zu ihr zurückkroch.
Wenige Tage nach dem Brand in Sarenputs Grab hatte Sethi die Einbalsamierung der Königin Hotephores abgeschlossen, und die königliche Familie bestieg die Barken zur Fahrt nach Abodu.
Während der Fahrt hatten Khufu und ich mehr als einen lauten Streit. Ich legte mich wegen Kleinigkeiten mit ihm an. Wir widmeten uns mit einer solchen Leidenschaft unserem Hass aufeinander, dass dieser nicht einmal dem König auf der vor uns segelnden Sonnenbarke entging.
Der Aufenthalt der Herrscherfamilie im Tempel von Abodu war kurz. Nach nur einem Tag segelten die Sonnenbarke und die anderen Schiffe zurück nach Mempi, um die Königin in ihrem Felsengrab zu bestatten.
Während der Begräbniszeremonien für Hotephores stand Rahotep neben mir und hielt meine Hand. Was er damit bezweckte, war mir klar, als ich Khufus irritierte Blicke sah. Er glaubte offenbar, durch eine erneute Heirat mit mir die Thronfolge zu gewinnen.
»Warum tust du das, Rahotep?«, flüsterte ich.
»Was?«, flüsterte er zurück.
»Meine Hand halten. Khufu ist völlig irritiert.«
Rahotep ließ meine Hand los, als hätte er sich an ihr verbrannt. Khufu, der uns beobachtet hatte, unterdrückte ein befriedigtes Lächeln.
»Nefrit, ich werde jeden deiner Geliebten persönlich in dein Bett geleiten. Und ich versichere dir, dass ich jedes deiner Kinder als mein eigenes anerkennen werde.«
Glaubte Rahotep wirklich, ich würde ihn noch mal heiraten? Was wurde hinter meinem Rücken über mich verhandelt? Ich war nicht sicher, welche Rolle ich in diesem Mysterienspiel spielte.
Nachdem das Grab der Königin durch Hesire versiegelt worden war, begab sich die Familie in den Palast, um gemeinsam zu speisen. Ich weiß nicht, wie Rahotep Sennedjem bestochen hatte, aber er saß während des Totenmahls neben mir. Khufu beobachtete jede Geste, jedes Lächeln wie ein Panther, der eine Gazelle belauert.
Nach dem Essen bat ich Rahotep, mich zu meiner Wohnung zu bringen.
»War dein Angebot wirklich ernst gemeint?«, fragte ich ihn, als wir durch den nächtlichen Garten gingen.
»Es war ernst gemeint.«
»Vielleicht kann ich keine Kinder mehr bekommen …«
In der Dunkelheit konnte ich Rahoteps Gesicht nicht sehen. »Warum heiratest du nicht Tiya?«
Rahotep blieb überrascht stehen. »Tiya? Für Tiya ist doch schon ein Gemahl erwählt worden!«
Das neue Jahr war angebrochen, und obwohl es niemand wirklich wollte, rückte der Tag meiner Abreise nach Akkad immer näher. Urnammu traf sich weiter regelmäßig mit mir, um mich auf meine neue Aufgabe als Königin vorzubereiten. Es schien keine Möglichkeit zu geben, diese Entscheidung rückgängig zu machen. Mein Weg nach Sumer war wohl auf der Karte meines Lebens eingezeichnet.
Am Vorabend meiner Abreise rief mich Seneferu zu sich. Kanefer und Khufu waren bei ihm. Beide erhoben sich, als ich den Raum betrat.
»Nefrit, wir müssen unsere Pläne ändern«, sagte Seneferu zur Begrüßung.
»Was ist geschehen?«
»Die Situation hat sich völlig verändert. Heute traf überraschend Rimusch in Mempi ein. Sargon will sichergehen, dass du wirklich Akkad erreichst.«
»Es ist doch egal, ob einer oder zwei sumerische Prinzen mich …«
»Das ist es nicht!«, unterbrach mich Kanefer. »Rimusch ist der Thronfolger von Sumer. Wir müssen unsere Pläne ändern.«
»Inwiefern?«
»Ursprünglich sollte Khufu dich allein bis zur Grenze geleiten. Nun wird auch Kanefer dich begleiten«, erläuterte Seneferu.
»Ich halte das nicht für …«
»Deine bevorstehende Heirat mit Sargon ist zu wichtig, Nefrit! Du wirst Königin von Sumer sein. Dir Kanefer mitzugeben ist das Mindeste, was ich tun kann«, sagte der König.
Seneferu beobachtete meinen Auszug aus Mempi vom Erscheinungsfenster aus. Entgegen meiner Gewohnheit reiste ich in einer Sänfte. Khufu und Kanefer fuhren in Wagen zu meiner Linken, Rimusch und Urnammu ritten auf ihren Pferden zu meiner Rechten.
Kanefer war betrübt, eine Mitarbeiterin im Ministerium verloren zu haben. Er hielt meine Heirat mit Sargon für einen
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