Die Herrin der Pyramiden
außenpolitischen Fehler. Khufu wurde mit jeder Stunde unserer Reise wütender. Er sah seine Chance schwinden, Herrscher zu werden, indem er mich heiratete. Urnammu verstand sich gut mit Khufu, nicht aber mit seinem Bruder Rimusch. Er bemühte sich, in mir seine künftige Stiefmutter zu sehen. Rimusch war gefährlich. Ich war sicher, dass er mich hinter den nächsten Busch gezerrt und vergewaltigt hätte, wenn er nicht den Zorn seines Vaters fürchten würde.
Die Abende verbrachten die vier Prinzen und ich gemeinsam beim Abendessen. Kanefer und Khufu verstanden genug Sumerisch, um der Unterhaltung mit Urnammu und Rimusch folgen zu können. Wir lagen bis nach Mitternacht auf Kissen um ein Kohlenbecken und genossen die Speisen, die ein sumerischer Koch für uns zubereitet hatte. Khufu und Urnammu unterhielten sich über ihre Lieblingsthemen: Wein, Frauen und Krieg, während Kanefer meiner Unterhaltung mit Rimusch über Sargons Eroberungen in den Bergen von Subartu zuhörte. Ich versuchte mir Rimusch als König von Sumer vorzustellen, und ich fröstelte trotz der Sommerhitze.
Als ich wieder einmal eine meiner lauten Auseinandersetzungen mit Khufu hatte, trat Rimusch zwischen uns. Er hatte seinen Dolch gezogen und bedrohte Khufu damit.
»Lass Nefrit in Ruhe!«, forderte er ihn auf. »Sie ist die künftige Königin von Sumer. Fall auf die Knie und küsse den Staub zu ihren Füßen!«
»Nichts dergleichen werde ich tun!«, begehrte Khufu auf und ging auf Rimusch los. Kanefer und Urnammu zerrten die beiden Prinzen auseinander und versuchten, sie zu beruhigen.
Urnammu und Rimusch bestanden darauf, dass sich Khufu für den Rest der Reise von mir fern hielt, um weitere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Jedes Mal, wenn Khufu sich mit seinem Wagen meiner Sänfte auch nur näherte, drängte Rimusch ihn ab. Seine Hand ruhte nicht nur ein Mal am Griff seines Schwertes. Khufus Zorn wuchs ins Unermessliche.
Am nächsten Abend wollte Khufu mich nach der gemeinsamen Mahlzeit zu meinem Zelt bringen. Rimusch sprang so schnell von seinem Sitzkissen auf, dass er seinen Weinbecher umwarf. Khufu, der sich durch Rimuschs Verhalten provoziert sah, zog seinen Dolch und drohte damit Sargons Sohn. Auch Rimusch, von ähnlich hitzigem Gemüt wie Seneferus Sohn, zog seinen Dolch und ging damit auf Khufu los.
Entschlossen trat ich auf die beiden Streitenden zu. Rimusch hatte seine Linke an Khufus Kehle gelegt und würgte den Prinzen, mit der Rechten erhob er seinen Dolch. Khufu wehrte den sumerischen Dolch mit seiner Linken ab und führte mit seiner Rechten seine eigene Klinge gegen Rimusch. Ich trat dazwischen und ergriff Khufus Hand. Seine Faust war wie aus Bronze gegossen, und ich konnte ihm den Dolch nicht entwinden. Aber ich konnte die Bewegung seines Armes vor Rimuschs Brust aufhalten. Khufu sah mich ungläubig an.
»Lass los, verdammt!«, fuhr ich ihn an. »Hört auf mit dem Unsinn, alle beide!«, befahl ich. Keiner der Prinzen reagierte.
Mit beiden Händen umklammerte ich Khufus Faust mit dem Dolch und zog sie nach unten. Als er sich gegen mich zu wehren begann und die Waffe erneut erheben wollte, ließ ich ihn los und schlug ihm mit aller Gewalt ins Gesicht. Khufu stand schwankend vor mir und starrte mich an. Da schlug ich gleich noch einmal zu. Mit meinem Ring riss ich ihm die Wange auf, die zu bluten begann.
Rimusch machte einen Schritt nach vorn, um Khufu den Todesstoß zu geben, doch ich hatte seine Bewegung bemerkt, wirbelte herum und schlug auch ihm ins Gesicht.
Wie erstarrt stand er vor mir. Noch nie war er geschlagen worden. Ich war fast einen Kopf kleiner als er, und er sah zornig auf mich herab. »Du wagst es …«, begann er flüsternd.
»Auf die Knie!«, fauchte ich. Rimusch zögerte, doch dann gehorchte er: Ich würde die Frau seines allmächtigen Vaters werden.
Urnammu und Kanefer stellten sich zwischen mich und Khufu und Rimusch, um das Schlimmste zu verhindern. Und dann setzte ich ein Zeichen, das ich noch bedauern sollte: »Khufu wird mich jetzt zu meinem Zelt begleiten! Ich gehe schlafen!«
Khufus Wange blutete immer noch. Ich reichte ihm ein Tuch, damit er sich das Blut abwischen konnte. Wir gingen durch die Dunkelheit zu meinem Zelt.
»Du hast mir das Leben gerettet, Nefrit.« Er hatte nicht lange gebraucht, um diese Wahrheit zu erkennen, aber umso länger, sie mir gegenüber zuzugeben.
»Ja, das habe ich.«
Ich erwartete und erhielt kein Wort des Dankes. »Warum hast du das getan?«
»Ich hätte es
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