Die Herrin der Pyramiden
für jeden getan.«
»Den zweiten Schlag verzeihe ich dir nicht. Er war unnötig.«
»Er war für meine persönliche Befriedigung.«
»Mach mich dir nicht zum Feind! Noch bist du nicht Königin Nefrit von Sumer!«
»Noch nicht, Khufu, noch nicht. Aber auch du bist noch nicht Herrscher der Beiden Länder.«
»Aber ich werde es sein, Nefrit. Verlass dich drauf!«
»Warum sollte ich das tun?«
»Weil du mir dabei helfen wirst.«
Den ganzen nächsten Tag über hielt sich Khufu von meiner Sänfte fern. Nach der Mittagsrast stieg er auf ein feuriges Pferd, mit dem er meiner Sänfte folgte.
Kanefer beobachtete ihn mit einer tiefen Falte zwischen seinen Augenbrauen. Weshalb war er so besorgt?
Während des Vormittags verschwand Khufu für längere Zeit. Dann galoppierte er wieder auf die Karawane zu und nahm seinen alten Platz hinter meiner Sänfte ein. Kanefers Frage, wo er gewesen war, beantwortete er nicht.
Als Kanefer, Rimusch und Urnammu in ein Gespräch vertieft vor mir herritten, sah Khufu seine Chance: Er kam mit seinem Hengst ganz dicht an meine Sänfte heran, beugte sich zu mir herüber und riss mich vor sich auf sein Pferd. Ich war so überrascht, dass ich keinen Laut von mir gab.
Die berittene Eskorte hinter uns wusste nicht, wie sie auf diese Entführung reagieren sollte, denn bevor Kanefer, Urnammu oder Rimusch sich zu uns umdrehen konnten, hatte Khufu seinem Pferd die Fersen in den Bauch gerammt und galoppierte mit mir davon, dem Horizont entgegen.
Die Sumerer folgten uns.
Die Ebene war mit Dornengesträuch bewachsen. Immer wieder sprang sein Pferd über die Hindernisse. Bei einem Sprung wäre ich beinahe abgerutscht.
»Halt dich an mir fest! Wenn du stürzt, werden sie dich töten!«
»Das werden sie nicht!«, fauchte ich ihn an.
»Dann werde ich es tun! Du wirst ihnen nicht lebendig in die Hände fallen!«
Mir blieb keine Wahl, als mich an der Mähne des Pferdes festzuhalten.
In welche Richtung flohen wir? Ritten wir nach Kemet oder entfernten wir uns weiter von Mempi?
Die Verfolger kamen immer näher, weil ihre Pferde schneller waren als Khufus Hengst und auch keine zweite Person zu tragen hatten. Pfeile zischten nah an meinem Kopf vorbei. Dann hörte ich, wie Urnammu befahl, nicht mehr zu schießen, um mich nicht zu verletzen.
»Sie werden aufgeben«, rief Khufu.
»Das glaube ich nicht«, keuchte ich. Der Ritt war sehr anstrengend. Doch Khufu hielt mich mit einem Arm fest an sich gepresst.
Wir konnten unseren Verfolgern nur mit einer List entkommen:
Nach einiger Zeit erreichten wir nur wenige hundert Schritte vor unseren Verfolgern eine enge Schlucht, in die wir uns flüchteten. Auf ihrem steinigen Boden hinterließen wir keine Spuren. Khufu stieg ab und führte mich und sein Pferd durch einen engen, ausgetrockneten Wasserlauf. An einer schmalen Stelle musste er seinem erschöpften Pferd den steilen Weg hinaufhelfen, und ich nutzte meine Chance.
Ich riss mich los und wollte fortrennen, doch er war schneller. Er hatte die Zügel losgelassen und umklammerte meine Hand. Er zog seinen Dolch und drückte mir die Klinge an die Kehle. »Wenn du schreist, stirbst du. Ich habe nichts mehr zu verlieren.«
Wir versteckten uns in einer Höhle. Khufu bewachte den Eingang.
Bis zum Abend hatte uns unsere Verfolger nicht gefunden.
Khufu begann, seine Vorräte an Nahrung und Wasser zu prüfen. »Wir haben nicht viel zu essen, das wäre zu auffällig gewesen. Aber ich habe genug Wasser für uns beide.«
»Das ist sehr rücksichtsvoll von dir!«
»Ich will nicht, dass du auf dem Rückweg nach Mempi verdurstest.« Er reichte mir seinen Wasserschlauch, aus dem ich einen tiefen Schluck nahm. »Nicht zu viel, das Wasser muss eine Weile reichen.« Damit entriss er mir den Schlauch und verschloss ihn wieder.
Erst als Khufu sicher war, dass unsere Verfolger nicht mehr nach uns suchten, verließen wir die Höhle. Er führte sein Pferd zurück zum Grund der Schlucht und ich kletterte hinter ihm her.
»Wohin nun?«, fragte ich ihn, als er mir die Hand reichte, um mich vor sich auf das Pferd zu ziehen. Ich schüttelte den Kopf. »Ich laufe.«
»Wie du willst«, sagte er und deutete in Richtung Sonnenuntergang.
Ich lief so lange hinter ihm her, bis die Akaziendornen meine Füße blutig gerissen hatten. Dann erst nahm ich sein Angebot an, auf das Pferd zu steigen.
Am nächsten Morgen durchquerten wir eine weite Ebene.
»Wo sind wir?«, fragte ich.
Khufu zügelte das Pferd und stieg ab.
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