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Die Herrin der Pyramiden

Die Herrin der Pyramiden

Titel: Die Herrin der Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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der Streit der Hohepriester Rahotep und Hesire durch Seneferu beigelegt worden war, nach welchem Ritus die Zeremonien durchgeführt werden sollten.
    Seneferu entschied, dass Kanefer durch seinen Bruder Merire im Ptah-Tempel getraut werden sollte. Ich kehrte als Priesterin des Ptah in den Tempel zurück, den ich elf Jahre zuvor überstürzt verlassen hatte, denn ich war die Einzige in der königlichen Familie, die mit den Ptah-Riten ausreichend vertraut war, um Merire bei den Zeremonien zu assistieren.
    Ich fand den Hohepriester im Allerheiligsten. Merire kniete auf dem mit Bronzeblechen verkleideten Boden. Er hatte beide Hände erhoben und hielt die Augen geschlossen. Ich wartete, bis er das Gebet beendet hatte.
    »Sie sind alle gekommen«, sagte ich. »Rahotep und Hesire sitzen so weit wie möglich auseinander, aber sie sind beide gekommen. Die Bronzetore des Tempels stehen offen, weil die Menschen sich auf dem Marktplatz versammelt haben. Du hattest noch nie ein so aufmerksames Publikum bei deinen Riten.«
    Merire lächelte. »Dann lass uns beginnen.«
    Der Hohepriester des Ptah hatte geplant, die Zeremonien von Atum und Re in den Schatten zu stellen und Kanefer und Mereret durch Ptah selbst zu verbinden. Er hatte deshalb eine große Statue des Ptah im Säulenhof aufstellen lassen. Sie war fünf Ellen hoch und bestand aus gegossenem Kupfer und glänzte im Sonnenlicht, als wäre sie aus purem Gold.
    Doch nicht nur die Statue war ungewöhnlich, sondern auch die Zahl der Gottesdiener und Tempelpriesterinnen, die Merire aufgeboten hatte. Unter ihnen entdeckte ich auch Iya. Unsere Blicke kreuzten sich. Iya hatte wie ich seit der Priesterweihe den Tempel nicht mehr betreten.
    Warum war sie hier?
    Direkt vor der Ptah-Statue brannte das Opferfeuer, in das ich während der Zeremonien Weihrauch werfen sollte. Nachdem Merire seinen Bruder und Mereret rituell verbunden hatte, näherte ich mich dem Becken. Gerade noch rechtzeitig konnte ich der stürzenden Statue des Ptah ausweichen. Ich ließ mich seitlich zu Boden fallen, als sich der fünf Ellen hohe Kupferkoloss vornüberneigte und dorthin kippte, wo ich eben noch gestanden hatte. Das Kohlebecken mit dem Opferfeuer stürzte um. Mit einem dumpfen Krachen schlug die Statue auf dem Boden des Tempelhofes auf.
    Wie erstarrt stand Merire neben dem umgestürzten Kohlebecken.
    Im Hof herrschte betretenes Schweigen: Der Gott Ptah war gestürzt!
    Ich suchte die Blicke von Rahotep und Hesire, die ich in Verdacht hatte, den Anschlag auf den Gott verübt zu haben. Hesire sah mich entsetzt an, und ich glaubte ihm seine Betroffenheit. Rahotep kam zu mir herübergeeilt.
    »Bist du verletzt, Nefrit?« Rahotep half mir auf die Beine, dann ging er hinüber zu der gestürzten Statue, deren Unterseite er sich mit der Fachkenntnis eines Königlichen Architekten besah. »Die Statue war im Sockel nicht korrekt verankert. Siehst du?« Rahotep deutete auf den Sockel.
    »Die Statue steht seit zwei Tagen hier«, sagte Merire. »Wieso stürzt sie gerade jetzt um? War das ein Attentat?«
    »Auf Nefrit oder auf Ptah?«, fragte Kanefer, der seinen Platz neben Mereret verlassen hatte.
    »Ich glaube, es war ein Unfall! Die Verankerung der Statue ist gebrochen«, urteilte Rahotep.
    Es dauerte nicht lange, bis die Tempeldiener das schwere Götterbild wieder aufgerichtet hatten und es stützten, damit die Zeremonien fortgesetzt werden konnten. Den Abschluss bildeten der Gesang und der Tanz der Tempeldienerinnen des Ptah. Ich hatte gehofft, Iya zu sehen, aber ich konnte sie nirgendwo entdecken. Warum war sie plötzlich verschwunden?
     
     
    Als sich der Hochzeitszug über den Sonnenhof, durch das Bronzetor und über den Marktplatz zum Palast bewegte, dachte ich an meine Kindheit. Vor einem Vierteljahrhundert hatte ich mit meinem Vater im Staub vor den Tempeltoren gesessen und auf das Erscheinen des Lebendigen Gottes gewartet, der an jenem Tag gekrönt worden war. Nun hörte ich das Volk wieder rufen: »Seine Majestät soll tausend Jahre regieren!« und »Gelobt sei sein Horus-Name in Beiden Ländern!«
    Dann wurden die Sänften von Kanefer und Mereret über den Platz getragen, und die Rufe änderten sich. Es hatte sich herumgesprochen, dass Mereret eine Frau aus dem Volk war. Und das Volk stand zu den Seinen, wenn sie aufstiegen. Ich hörte ihren Namen und ausgelassene Glückwünsche für das junge Paar.
    An der Seite von Rahotep verließ ich den Tempel.
    Der Bote erreichte mich, als wir gerade den Platz

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