Die Herrin der Pyramiden
überquert hatten. Auf seinem Pferd bahnte er sich seinen Weg durch die jubelnde Menge. Er hatte es nicht leicht, bis zu Rahotep und mir vorzudringen. »Prinzessin Nefrit, es ist etwas Furchtbares geschehen! Prinz Tutmosis ist verschwunden! Die Amme behauptet, er sei entführt worden!«
»Dein Pferd!«, befahl ich. Der Mann reichte mir die Zügel, ich sprang von der Sänfte und schwang mich auf den Rücken seines Pferdes. Ich war froh, dass mein Priesterinnengewand einen weiten Rock hatte.
Ich überließ Rahotep die Entscheidung, ob er mir folgen wollte. Dann galoppierte ich an den Sänften von Kanefer und Seneferu vorbei.
Der Weg zum Palast war nicht weit. Im Hof sprang ich ab und rannte zu meiner Wohnung. Die Amme saß weinend im Garten.
»Was ist geschehen?«, fragte ich atemlos.
»Da war diese Frau …», begann sie schluchzend. »Ich saß hier im Garten und spielte mit deinem Sohn. Dein Sandalenträger rief mich zur Tür. Eine Dienerin von dir wäre aus dem Tempel geschickt worden.«
»Von mir?«
»Die Frau sprach davon, dass du Anweisung gegeben hättest, Prinz Tutmosis zu dir zu bringen.«
»Weswegen sollte ich das tun?«
»Das habe ich sie auch gefragt! Sie sagte, es sei ein Attentat auf dich verübt worden. Du lägst im Sterben und wolltest deinen Sohn noch einmal sehen … Was sollte ich tun, Prinzessin? Die Frau ging einfach an mir vorbei, wickelte Prinz Tutmosis in ein Tuch und nahm ihn mit.«
Seneferu und Rahotep kamen gleichzeitig im Palast an, während ich bereits mit dem Kommandanten der Palastwache sprach. General Rensi kniete mit gesenktem Gesicht vor mir, als der König und der Thronfolger in meine Wohnung kamen.
»General, die Palastwache soll das Kind innerhalb des Palastes suchen«, befahl Seneferu. »Wenn es nicht gefunden wird, durchsuchst du ganz Mempi. Vom Hafen bis zum Fürstenpalast.«
»Und wenn wir …«
»Dann wirst du das ganze Untere Land umgraben, General!«
»Ja, Euer Majestät!«
»Ich will das Kind wiederhaben!«
Ich half bei der Suche nach Tutmosis. Ich hatte Angst, grauenhafte Angst. Erst das Attentat auf mich und nun die Entführung meines Kindes. Wer steckte hinter dieser Entführung? Was war die Absicht? Warum war Tutmosis nicht ermordet, sondern nur entführt worden? Mit jedem Augenblick, den ich über die Tat nachdachte, wurde ich sicherer, dass Tutmosis noch lebte und gar nicht getötet werden sollte. Aber wer steckte dahinter? Es gab nur einen!
Ich überließ die Suche Rensis Palastwachen und begab mich zum Hochzeitsempfang des Wesirs in der Halle des Horus. Ich setzte mich auf den freien Stuhl neben Khufu und fragte: »Wo ist er?«
»Wo ist wer? Rahotep? Ich habe keine Ahnung. Er drängte einen Wagenführer aus seinem Wagen und trieb die Pferde …«
»Ich spreche nicht von Rahotep. Ich spreche von meinem Sohn.«
Khufu sah mich überrascht an. »Was ist mit ihm?«
»Das wollte ich von dir wissen, Khufu! Er ist entführt worden.«
Khufus Blick konnte ich nicht deuten. Was wusste er?
»Erspare mir die Suche nach ihm, Khufu. Wo ist er? Im Küchenabfall, wie Sekhem?«
Khufu schüttelte den Kopf, antwortete aber nicht.
»Wir haben den Palast durchsucht«, meldete mir General Rensi bei meiner Rückkehr in die Wohnung. »Die Wohnungen sind alle leer. Die Prinzen und Prinzessinnen und die Würdenträger, die im Palast wohnen und arbeiten, befinden sich alle auf dem Empfang im Thronsaal.«
»Wo ist mein Gemahl?«
»Prinz Rahotep ist im Kriegerhaus des Ptah-Regiments. Er organisiert die Suche außerhalb von Mempi.«
»Konnte die Frau inzwischen identifiziert werden?«
»Deine Amme konnte sich an ihr Gesicht erinnern. Es handelt sich um die Dame Iya.«
Ich setzte mich in meinen Garten und dachte nach. Was hätte ich sonst tun sollen? Mit den Soldaten zusammen die Dörfer rings um Mempi durchsuchen? Wenn Khufu wirklich der Auftraggeber der Entführung wäre, wo würde er Tutmosis hinbringen? Er würde ihn nicht töten, denn das Kind war rechtmäßiger Erbe des Königstitels, egal ob nun Rahotep oder Kanefer der Vater war. Wo wäre Tutmosis sicher?
Meine Pferde rasten durch die Außenbezirke von Mempi. Die innere Stadt war wegen der Hochzeitsfeierlichkeiten für den Wesir ohnehin nicht mit dem Wagen zu durchqueren. Mein Gespann war noch nicht ganz zum Stehen gekommen, als ich vor dem Hafenamt von Mempi aus dem Wagen sprang. Ich stürmte in das Gebäude neben den Landestegen. Der Hafenmeister fiel vor mir auf die Knie. »Welche Schiffe
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