Die Herrin der Pyramiden
Arme und küsste mich. »Die erste fertige Pyramide seit Imhoteps Bau für Djoser«, seufzte er. »Wie viele Jahre habe ich auf eine solche Nachricht gewartet! Seit der Katastrophe von Pihuni habe ich nicht mehr gehofft, zu meinen Lebzeiten noch eine fertige Pyramide zu sehen.«
»Gestern wurde der Spitzstein aufgesetzt, mein Geliebter! Es ist vollbracht!«
Am ersten Neumond des neuen Jahres, dem fünfundzwanzigsten Regierungsjahr des Seneferu, kamen die Würdenträger der Regierung auf der Ebene von Mempi zusammen, um der Einweihung der größten Ruine der Welt beizuwohnen. Wenn auch das eingestürzte Grabmal in Pihuni die erste wirkliche Pyramide mit glatten Flanken gewesen war, die vollendet wurde, war dieses Bauwerk doch das erste vollendete Monumentalgrab eines Herrschers des Oberen und Unteren Landes, das an die Form einer geometrischen Pyramide erinnerte.
Vom Plateau unterhalb der Pyramide sah ich an ihren glatten, steilen, geknickten Flanken hinauf bis zur vergoldeten Spitze. Aus Sicherheitsgründen hatte ich die Pyramidenspitze aufsetzen lassen, bevor die Würdenträger auch nur in die Nähe des zerbrechlichen Bauwerkes kamen. Seneferu schien es gleichgültig gewesen zu sein, ob die Spitze nun in seiner Anwesenheit aufgesetzt worden war oder nicht. Was zählte, war das Symbol. Die Pyramide war vollendet. Der Bann war gebrochen!
Ich sah hinüber zur Roten Pyramide in der Nähe der Residenz. Der Pyramidensockel hatte mittlerweile fast ein Drittel der geplanten Höhe erreicht. Die Arbeiten gingen schneller voran, nachdem mir Kanefer auf meine Bitte hin mehr Steinbrucharbeiter und Steinmetze zur Verfügung gestellt hatte. Sobald die Pyramidenplattform die Höhe von zwei Dritteln erreichte, würde ich die Arbeiter abziehen und die Grundsteinlegung für den geplanten Sonnentempel zwischen Mempi und Gisa veranlassen.
Während die Würdenträger schwatzend auf der Tribüne Platz nahmen, um aus sicherer Entfernung die Riten zu verfolgen, ging ich ein Mal um die Pyramide herum. Das Gehen fiel mir zunehmend schwerer. Ich war weit im achten Mond meiner Schwangerschaft. Ich hatte das Bedürfnis, für einen Augenblick allein zu sein und dem Hofzeremoniell zu entkommen.
Die Baurampe war in den vergangenen Wochen abgerissen worden. Das Arbeiterlager, die Magazine, die Bäckereien und Schmieden waren verschwunden.
Unterhalb der Pyramide setzte ich mich auf einen Stein und hing meinen Gedanken nach. Ich hatte eine Pyramide vollendet! Ich hätte stolz sein müssen auf die architektonische Leistung, aber ich dachte an den Knick auf halber Höhe und die zugemauerten Grabkammern. Ich hatte noch nicht lange neben dem größten Bauwerk der Welt gesessen, als ich hinter mir das Getrappel von Hufen hörte.
Kanefers Wagen näherte sich mit hoher Geschwindigkeit. Direkt vor mir brachte er seine Pferde zum Stehen und stieg ab. Er trug ein mit Goldfäden durchwirktes Wesirsgewand, das bis zu den Knöcheln herabfiel und am Saum mit Lapis und Türkis bestickt war. »Nefrit, wo bleibst du denn? Rahotep will mit den Zeremonien beginnen. Mein Vater hat darauf bestanden, dass nicht ohne die Bauleiterin angefangen werden soll.«
»Ich habe nachgedacht.«
»Und ich dachte schon, du hebst bereits das nächste Fundament aus.«
Ich ergriff Kanefers Hand und wollte mich von dem Stein erheben, als ein furchtbarer Schmerz durch meinen Leib fuhr.
»Was ist?«, fragte Kanefer besorgt und hielt mich fest.
»Ich habe … Schmerzen.«
»Was für Schmerzen?«
»Es ist so weit.«
Ich gebar meinen Sohn im Sand unterhalb der Pyramide. Kanefer hatte mit seinem Wagen Sethi zu mir gebracht. Die Wehen hatten so schnell und so heftig eingesetzt, dass an meine Rückkehr in die Residenz nicht mehr zu denken war. Sobald sich Sethi um mich kümmerte, war Kanefer in seinem Wagen zurückgekehrt, um Rahotep zu holen. Seneferu hatte Kanefers Mitteilung an Rahotep gehört und war hinter seinem Sohn auf Kanefers Wagen gesprungen.
Als Seneferu und seine beiden Söhne bei mir ankamen, war mein Kind geboren. Sethi durchtrennte gerade die Nabelschnur mit seinem Dolch und wickelte das Kind in die zerrissenen Reste meines Kleides. Der kleine Prinz begann sofort zu schreien.
»Wie geht es dir?«, fragte Seneferu. Im Königsornat kniete er neben mir im Sand.
»Es war eine leichte Geburt, Euer Majestät. Prinzessin Nefrit ist sehr kräftig«, sagte Sethi.
Ich hielt meinen Sohn im Arm. »Es geht mir gut, Majestät!«, sagte ich glücklich.
Rahotep
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