Die Herrin der Pyramiden
war.
»Du liebst mich nicht, Rahotep. Und doch willst du, dass ich deine Frau werde!« Ich ging mit Rahotep, der mir bei Sonnenuntergang die neuen Schiffe gezeigt, die im Trockendock des Hafens lagen, zurück zum Königspalast.
»Ich bewundere dich, Nefrit. Du bist stark und weißt immer, was du willst. Wenn ich als ältester Sohn des Königs eines Tages nach ihm den Thron der Beiden Reiche besteigen werde, brauche ich eine starke Frau an meiner Seite.«
»Wenn du Lebendiger Gott werden willst, Rahotep, dann musst du deine Schwester Merit heiraten. Sie ist Trägerin der Königswürde. Ich wäre deine Zweite Gemahlin. Das will ich nicht.«
»Du willst nicht Königin werden, Nefrit?«
»Es ist doch unwahrscheinlich, dass ich als Tochter eines Feldarbeiters aus Tis Königin Beider Reiche werde. Wo ist dein Verstand, Rahotep?«
»Du willst also lieber die Erste Gemahlin des Prinzen Sarenput werden? Weißt du, dass mein Vater meinen Bruder Kanefer als Nachfolger von Nefermaat vorgesehen hat und dass Sarenput niemals Wesir wird?«
»Weiß Sarenput davon?«
»Offensichtlich nicht.«
»Wer hat dir das erzählt?«
»Mein Vater, wer sonst? Heirate mich, Nefrit, ich kann dir eine Zukunft bieten, für die jede andere Frau den Boden unter meinen Füßen küssen würde.«
Ich hatte aber nicht die Absicht, den Treibsand zu küssen, auf dem er stand. Also schwieg ich. Und sagte weder Ja noch Nein.
Der Thronfolger hatte mich gebeten, seine Frau zu werden! Was wollte ich mehr? Warum zögerte ich mit meiner Antwort? War ich von meinem Ka verlassen, eine solche Chance ungenutzt vergehen zu lassen? Ich würde Prinzessin Nefrit sein, Gottesgemahlin, mein Vater würde Prinz Kamose sein und über ein ansehnliches Einkommen verfügen.
Es war wie ein Märchen.
Der Fluss meines Lebens hatte erneut seine Richtung geändert. Wohin würde mich seine Strömung treiben?
Nach Monden der Abwesenheit kehrte ich in meine alte Position als Gehilfin meines Vaters Kamose auf die Baustelle zurück.
Rahotep besuchte mich regelmäßig auf der Baustelle, sofern seine Aufgaben es zuließen. Immer wieder drang er in mich, seinen Antrag zu erhören. Und auch Djedef hielt sich erstaunlich oft auf der Baustelle auf. Einen Teil des ihm unterstellten Regiments hatte er vom Haus der Krieger in Mempi in die neue Residenz verlagert, eine weitere kleinere Garnison hatte er zum Schutz der Baustelle des Königsgrabes einrichten lassen. Er inspizierte seine Truppen öfter als nötig. Den wahren Grund kannte ich.
Djedef und ich unternahmen lange Spaziergänge entlang des Hapi, saßen stundenlang am Schilfufer und sprachen über die Vergangenheit und die Zukunft. Eines Abends wagte Djedef die Frage, die ihn seit Wochen bewegt hatte: »Für welchen deiner Bewerber hast du dich entschieden, Nefrit?«
Wie sollte ich ihm die Wahrheit sagen, ohne ihn zu verletzen? Ich mochte Djedef sehr gern und wollte ihn nicht verlieren. Aber ich würde ihn nicht heiraten. Doch welche Worte auch immer ich gebrauchen würde, um ihm das zu sagen: Sie würden ihn verletzen. Und je umständlicher und wortreicher ich versuchen würde, ihm meine Entscheidung mitzuteilen, desto mehr Hoffnungen würde er sich auch nach meiner Absage machen. Djedef war ein Mann, der auch in ausweglosen Situationen nicht aufgeben konnte.
»Ich werde dich nicht heiraten, Djedef.«
Schweigend richtete er seinen Blick auf das gegenüberliegende Ufer des Hapi. »Wie konnte ich annehmen, dass ich mit dem Sohn und dem Neffen des Lebendigen Gottes ernsthaft konkurrieren könnte!«
Ich legte ihm die Hand auf den Arm. Als er mich nicht ansah, umfasste ich sein Gesicht mit beiden Händen und drehte es zu mir. Er sah mir in die Augen. »Ich werde Sarenput zu einem Zweikampf herausfordern!«, sagte er hitzig.
»Das kannst du dir sparen, Djedef. Sarenput will mich ohnehin nicht mehr heiraten.«
»Ich dachte, er liebt dich.«
»Rahotep hat ihn gezwungen, auf mich zu verzichten.«
»Dann wirst du also den Sohn des Königs heiraten?«
»Nein.«
»Du bist verrückt geworden, Nefrit! Du kannst seine Bitte nicht zurückweisen!«
Der Umzug der Residenz, der Ministerien, der Regierungsbeamten und ihrer Angehörigen, die Verlegung einer ganzen Hauptstadt begann am letzten Tag des ersten Mondes zu Beginn der Überschwemmungszeit im vierzehnten Regierungsjahr. Die Inbesitznahme der neuen Residenz von Mempi durch den Lebendigen Gott war ein Geschenk für jeden, der Gelegenheit hatte, an der
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