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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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ergeben.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Mein Bruder urteilt bisweilen vorschnell, und leider bleibt er bei seinem einmal gefällten Urteil.«
    Seine Bemerkung bot mir einen raren Einblick in seine Gedanken, und erneut fragte ich mich, wie schwierig es für John war, im Schatten seines Bruders zu stehen, obwohl er doch fraglos der bessere Mann von ihnen beiden war. Es gab noch vieles, was ich über meinen Gemahl nicht wusste.
    Wir kamen rechtzeitig in London an, um König Henrys Rückkehr in seine Hauptstadt mitzuerleben. Obgleich der König ein Gefangener war, gestattete Warwick ihm all den Pomp und die Feierlichkeiten eines Monarchen, der in sein Königreich heimkehrt, und trug barhäuptig Henrys Staatsschwert vor ihm her. Der Bischof von London stellte seinen Palast als königliche Residenz zur Verfügung, und die Menge empfing Henry ehrerbietig.
    Im Erber genossen wir ein freudiges Wiedersehen mit Johns Eltern und Warwicks Countess mit ihren Töchtern Bella und Anne, die von Calais gekommen waren, da ihnen hier keine Gefahr mehr drohte. Das Exil hatte deutliche Spuren hinterlassen: Nan wirkte nervöser und schreckhafter denn je; ihre Tochter Bella war verspielter und heiterer geworden, als wollte sie mit ihrem Lachen die Angst verscheuchen; und Anne war empfindsamer und nachdenklicher als zuvor. Sie weigerte sich, Fleisch jedweder Art zu essen, was zu manchem Streit mit ihren Eltern führte. Die sonst so sanfte und niedliche Anne ließ sich nicht erweichen. Sie presste schlicht die Lippen zusammen und verweigerte so das Essen, das sie ihr aufzuzwingen versuchten. Ich konnte nicht umhin zu bewundern, mit welcher Courage sie sich gegen die strengen Ermahnungen durchsetzte. Und ich bezweifelte, dass ich dieselbe Stärke bewiesen hätte, hätten mir Warwicks ärgerlich gerunzelte buschige Brauen und Nans tägliche Schelte gegolten, zumal mit nicht einmal sieben Jahren.
    Eines Tages fragte ich Anne, warum sie Tierfleisch so vehement ablehne. Sie sah mich mit ihren strahlenden, violettblauen Augen an und antwortete mit einer Gegenfrage:
    »Würdet Ihr Eure Freunde essen, Tante Isobel?«
    Auch wenn ich nicht wagte, ihren Eltern zu widersprechen, zeigte ich Anne fortan auf vielerlei andere Weise, dass ich ihre Meuterei befürwortete – und wir wechselten heimlich manch triumphierenden Blick, wenn Anne wieder einen ihrer kleinen Siege errungen hatte.
    Alles in allem waren es glückliche Tage, und wir hatten viel Freude. John wurde zum Kämmerer des Königs ernannt und vom Parlament in den adligen Stand des Lord Montagu erhoben. Es war viel zu tun, bis die Regierung ihre eigentliche Arbeit wiederaufnehmen konnte, folglich sah ich John in jener Zeit nicht allzu oft. All unsere Männer hatten Versammlungen abzuhalten, Bittsteller zu empfangen, Leute für Ämter zu bestimmen, die Lancastrianer freigemacht hatten – entweder durch den Tod oder durch Flucht –, und sich um solche zu kümmern, die in einigen Grafschaften für Unruhe sorgten. König James II. von Schottland nutzte die Turbulenzen in England, um Roxburgh Castle anzugreifen, und Johns Vater wurde umgehend dorthin berufen, damit er ein Heer aufstellte und die schottische Bedrohung aus dem Weg räumte. Währenddessen sollte Henry in Johns Obhut bleiben. Die göttliche Vorsehung wollte es, dass König James durch eine seiner eigenen schadhaften Kanonen starb, und danach wurde Frieden mit Schottland geschlossen.
    Gleichzeitig, im August, hörte Warwick, dass Somerset bereit war, über eine Aufgabe Guisnes’ zu verhandeln, und reiste nach Calais. Ich hingegen konnte durch die Nähe zwischen John und König Henry eine neue Seite an beiden Männern entdecken. Nicht bloß verbrachte ich selbst viel Zeit mit dem König, er schien überdies entzückt von unseren beiden Annes und Isabelles zu sein. Er spielte mit ihnen, warf ihnen Bälle und unterhielt sich geduldig mit ihnen, als wären sie erwachsene Damen, was den Kleinen sehr gefiel.
    Henry zeigte auch Verständnis für Warwicks Anne und deren Weigerung, Fleisch zu essen. »Ah, meine teure kleine Dame, du bist viel weiser und gütiger als ich, denn ich genieße ein gutes Stück Hammel, obwohl ich Lämmer liebe. Es ist ein Fehler, den zu korrigieren ich leider zu schwach bin. Könntest du für mich beten?«
    Die kleine Anne nickte sofort und erklärte: »Ich werde immer für Euch beten, König Henry«, worauf Henry lachte und sie auf den blonden Schopf küsste.
    Dass er seinen siebenjährigen Sohn, Prinz

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