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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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süßen Harmonien brachten mir meinen Verlustschmerz mit der Wucht eines Dolchstoßes. Tränen liefen mir über die Wangen, ich schaute Ursula fassungslos an.
    »Er hat … nicht geatmet«, sagte sie stockend und umklammerte meine kalte Hand mit ihrer.
    Mein Kleiner war mir genommen worden, bevor ich ihn in meinen Armen halten durfte. Mein winziges, wunderschönes Kind war tot geboren worden …
    Ich schloss die Augen.
    Die nächsten Wochen ertränkte ich meinen Kummer im fröhlichen Geplapper meiner Töchter und vergrub mich in der Arbeit, den Haushalt zu führen. Derweil trauerte ich um mein Neugeborenes und sehnte mich nach John. Der treue Rufus musste ihn ebenfalls vermissen, denn er blickte traurig drein und folgte mir auf Schritt und Tritt, als könnte ich ihn zu seinem Herrn führen.
    Die Mädchen bemerkten Johns Fehlen auch. »Kommt mein Freund John bald nach Hause?«, fragte meine kleine Annie, worauf ich einen Stich in der Brust spürte.
    John war zu wenig bei uns gewesen, als dass sie und Izzie begriffen hätten, dass er ihr Vater war. Aber Freundschaft kannten sie. »Bald«, antwortete ich. »Euer Freund John ist sehr bald wieder hier, so Gott will.« Dann drückte ich die beiden an mich.
    Viele schlaflose Nächte verbrachte ich kniend in der Kapelle, betete für meinen lebenden John und für den kleinen, den Gott zu sich gerufen hatte. Der April brachte wundervolle Frühlingsblumen und blühende Bäume mit, genau wie an meinem Vermählungstag vor drei Jahren. Weil ich John nahe sein wollte, nahm ich seinen Umhang und begab mich mit Ursula und einer Gruppe von Reitern zum Schutz nach Raby. Dort verbrachte ich den Nachmittag unseres Hochzeitstages allein am Wasserfall, hielt den Umhang in den Armen und schwamm, wie ich mit John vor dem Frühstück an unserem ersten Morgen als Mann und Frau geschwommen war. Der Wasserfall rauschte und dröhnte wie damals, doch wie vieles hatte sich in den drei kurzen Jahren verändert!
    Ich hatte vorgehabt, die Nacht im Cottage zu bleiben und mehr Greife auf den Umhang zu sticken, denn dieser Zeitvertreib spendete mir Trost. Doch die Leere im Haus spiegelte mein Elend, anstatt etwas von der Freude meiner Hochzeitsnacht wiederzubeleben. Mit dem Tageslicht schwanden auch meine Kräfte. Müde ließ ich den Wasserfall hinter mir und ging zurück zur Burg, ehe es vollständig dunkel war.
    Am nächsten Tag hatte ich solch eine Sehnsucht nach meinen kleinen Mädchen, Annie, Izzie und Lizzie, dass ich auf die sichere Festung in Middleham zurückkehrte.
    Im Mai schrieb Countess Alice aus Calais, und ihre Neuigkeiten machten uns Mut. Auf ihrer Reise von Irland nach Calais waren Warwick und sie am neuen »Hüter der Meere« vorbeigesegelt, dem Duke of Exeter, ohne ein einziges Schiff zu verlieren. Aus Geldmangel oder Furcht hatte Exeter keinerlei Anstalten gemacht, sie anzugreifen, sondern nur beobachtet, wie Warwick an ihm vorbeizog.
    »Da kündigt sich noch ein großartiger Somerset an«, sagte ich spöttisch zu Maude.
    Dann, Anfang Juli, traf Warwicks Bote ein. Wir empfingen ihn im offenen Hof, wo alle mithören konnten, welche Nachricht er brachte.
    »Mylord Warwick lässt Euch mitteilen, dass er am ersten Tag des Juli in Kent angekommen ist. Viele Männer haben sich ihm angeschlossen, und er marschiert mit einem großen Heer nach London!«
    Jubel brach aus. Der Bote reichte uns den Brief, den er mitgebracht hatte, und Maude und ich lasen ihn still, denn darin stand nichts, was für den Haushalt von Interesse war, nur herzliche Grüße an uns, einige Ratschläge zu Reparaturen an einer Burgmauer und die Versicherung, dass die Countess in Calais und wohlauf sei. Dann jedoch gelangten wir zum letzten Absatz. Maude und ich wechselten sorgenvolle Blicke, und mein Herz setzte aus. Ich holte tief Luft und las laut vor:
    »Weil ich Blutvergießen vermeiden wollte, bat ich erneut um eine Audienz bei König Henry und gab zu verstehen, dass ich mit ihm sprechen oder sterben würde. Abermals wurde ich abgewiesen.«
    Ich rang um Fassung, damit meine Stimme nicht zitterte, als ich Warwicks letzten Satz las:
    »Eine Schlacht ist unausweichlich.«
    Halb von Sinnen vor Angst, betete ich, während ich auf weitere Nachrichten wartete, und stickte noch mehr Greife auf Johns Umhang. Aber die finsteren Gedanken wollten sich einfach nicht aus meinem Kopf vertreiben lassen: Was war, wenn York verlor? Was war, wenn Warwick getötet wurde? Was würde dann mit John und Thomas geschehen? Würde die Königin

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