Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Abstand von Marguerites Lager hieß ich Geoffrey und die anderen zu ihrer Sicherheit nach London zurückkehren. Er widersprach mir so vehement, wie er es wagte, doch ich ließ mich nicht erweichen. Mir lagen er und die anderen zu sehr am Herzen, als dass ich sie Marguerite ausliefern wollte. Dann wappnete ich mich gegen das, was kommen würde, und ließ Rose weitergehen.
Es war Abend, und die Lagerfeuer sahen wir schon von Weitem. Sie funkelten so hell wie die Sterne am Firmament. Männer standen um die Feuer herum, manche wärmten sich die Hände, andere rösteten Fleisch am Spieß darüber oder tranken und vergnügten sich mit Frauen. Der Duft von Gebratenem lag schwer in der Luft, als ich auf einen Wachmann zuritt und ihn bat, zum Zelt der Königin geführt zu werden. Ein Mann, der sich die Zähne mit einem Holzsplitter reinigte, wies nur mit dem Daumen auf einen breitschultrigen Landsknecht ein Stück weiter, der offenbar sein Kommandant war.
Dieser Mann richtete sich zu seiner vollen Größe auf und schritt mir entgegen. »Wer seid Ihr?«, fragte er streng und mit einem starken nordischen Akzent.
»Meinen Namen nenne ich nicht«, antwortete ich betont hochnäsig, um ihm Respekt einzuflößen.
»Dann Euer Begehr?«
»Ich komme in dringender Angelegenheit, um die Königin zu sprechen. Was ich zu sagen habe, ist nicht für Eure Ohren bestimmt.«
Er betrachtete mich mit kleinen Schweinsaugen, sah zu Ursula, den Kindern und wieder zu mir. Nach einer Weile fragte ich ihn patzig:
»Was? Fürchtet Ihr Euch vor Frauen und Kindern?«
Der Mann gab nach. »Nun gut, das königliche Zelt ist gleich da vorn. Ihr könnt es nicht übersehen.«
Wir ritten weiter, begleitet von anzüglichen Bemerkungen dreister Grobiane und unverhohlenen Blicken auf meine Gestalt. Dann rief plötzlich jemand aus der Ferne meinen Namen.
»Lady Montagu!«
Ein Mann mit lockigem braunen Haar lief aus den flackernden Schatten der Lagerfeuer auf mich zu. Ich hielt meine Zelterstute an und wartete verwundert. Wer könnte mich hier, inmitten der Feinde, freundlich ansprechen wollen?, überlegte ich. Der Mann erreichte mich und blickte zu mir auf. Mit freudiger Überraschung stellte ich fest, dass es William Norris war.
»Mylady, wie gut, Euch wiederzusehen!«, sagte er atemlos.
»Und mich freut es, Euch zu sehen, William. Ich fragte mich schon, wie es Euch in den Jahren ergangen sein mochte, seit wir uns zuletzt begegneten.«
»Eure Sorge ehrt mich, Mylady. Seid Ihr gekommen, die Königin zu sehen?«
»Bin ich.«
»Ja, ich hörte, dass Lord Montagu gefangen genommen wurde.«
Ich musste schlucken.
»Ich hoffe, die Königin gewährt Euch Eure Bitte um Gnade. Er ist ein wackerer Ritter. Ihr habt eine gute Wahl getroffen … Isobel.«
Er sprach meinen Namen sehr leise, dennoch entging mir die Note von Zärtlichkeit in seinem Tonfall nicht. Dies also waren die Männer, die in den Schlachten zwischen York und Lancaster starben: Männer, die liebten, die gütig waren, die kämpften, weil es die Ehre und ihre Befehlshaber geboten. Tränen brannten in meinen Augen, und ich biss mir auf die Lippe, um meine Gefühle einzudämmen. »Es sind jammernswerte Zeiten für uns alle, William. Ich bedaure den Tod Eures Herrn.«
»Duke Humphrey war ein vornehmer Mann«, sagte er.
Wir beide schwiegen. Irgendein Grobian rief betrunken: »Ey, Norris, gib sie mir, wenn du sie nich’ willst! Ich weiß schon, was ich mit ihr mache.« Gelächter folgte.
William blickte mich ernst an. »Darf ich Euch zur Königin eskortieren?«
»Das wäre überaus freundlich«, antwortete ich.
Er nahm die Zügel meiner Stute und führte Rose vorwärts.
Bei Marguerites Zelt versperrte mir ein weiterer Landsknecht den Weg. Während William auf ihn einwirkte, mich einzulassen, wurde die Plane beiseitegezogen, und ein Mann trat heraus. Ich schluckte, als ich dem Schlächter von England ins Gesicht blickte, Lord Clifford.
Seine grausamen braunen Augen sahen mich hasserfüllt an. »Ihr habt hier nichts zu suchen!«, fuhr er mich an und wandte sich zu William. »Ihr auch nicht! Verschwindet!«
William Norris warf mir einen unglücklichen Blick zu, verneigte sich und ging.
»Ihr irrt«, erwiderte ich. »Ich bringe dringende Nachricht für die Königin.«
»Dringend für Euch, zweifellos. Seid versichert, dass die Königin Euch nicht zu sehen wünscht. Ihr könnt gehen.« Er wies in die Richtung, aus der ich gekommen war.
Aus dem Zelt war eine andere Stimme zu hören, und ein
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