Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Elizabeth Woodville nach so langer Zeit wiederzusehen, und fragte mich, wie sie mich empfangen würde. Dabei hätte ich es mir denken können. Als ich mich vor ihr im tiefen Knicks verneigte, trat ein böses Lächeln auf ihre Lippen, und ein eisiger Wind schien vom Podest zu wehen. Der König hieß uns warmherzig willkommen, sie jedoch sagte nichts, aber ich merkte, wie sich ihre Blicke in meinen Rücken bohrten, als wir gingen. Ich gestehe, dass mir ihr Gemüt ein Rätsel war. Sie hatte nicht bloß erreicht, was sie sich vorgenommen hatte, sondern hatte es noch übertroffen, indem sie an die absolute Spitze der Macht gelangt war; und dennoch keimte in ihrem von Gier begrenzten Geist kein Körnchen Großzügigkeit.
Der König hatte sich redlich Mühe gegeben, dem teuren Freund seines Vaters ein gebührendes Fest auszurichten. Wir genossen drei herrliche Tage voller Köstlichkeiten und Frohsinn vor dem letzten Bankett. An diesem unvergesslichen Abend glitzerte das große Gelass wie nie zuvor von tausend Kerzen und Fackeln und den funkelnden Edelsteinen der Gäste. Der König selbst strahlte wie die Sonne auf seinem Wappen; er trug ein gelbes Samtgewand, das üppig mit Gold bestickt war, und Elizabeth glitzterte in dem schwarzen Tuch, das von Gold und Diamanten erhellt wurde, angefangen bei ihrem königlichen Haarreif bis hin zu den Spitzen ihrer königlichen Zehen.
Wie alle anwesenden Lords und Ladys hatten auch John und ich uns neu eingekleidet. Ich hatte herrlichen dunkelroten Samt gewählt, der in Falten genäht und mit sandfarbenen Paspeln abgesetzt war und zu dem ich die wunderschöne Kette von Johns Mutter trug; und mein Gemahl erschien in einem himmelblauen Wams mit Goldborten und sandfarbenen und smaragdgrünen Paspeln sowie einem pelzbesetzten Umhang über der Schulter und einer schweren Goldkette mit Saphiren um den Kragen. Obwohl er während der Krankheit, die ihm der harsche Winter in Northumberland eingetragen hatte, an Gewicht verloren hatte, sah er umwerfend gut aus. Und falls ich Johns Komplimenten zu meiner Erscheinung glauben durfte, verblasste auch ich nicht neben den anderen adligen Damen.
»Du siehst wunderschön aus, mein Engel. Wie ein schwarzer Schwan, der über glitzerndes Wasser gleitet. Dein Haar schimmert wie Rabenschwingen, deine Haut ist elfenbeinblass, und keiner kann die Augen von dir lassen. Du wirst die Königin in den Schatten stellen.«
»Schh!«, schalt ich ihn halb im Scherz. »Es haben schon Männer ihren Kopf für weniger verloren!« Aber ich lächelte. Ich fühlte mich an diesem Abend wirklich schön. Noch nie hatte ich ein solch edles Kleid besessen, und Ursula hatte mir das Haar auf eine neue Weise gerichtet, die sehr gewinnend war. Statt es offen über den Rücken fließen zu lassen, hatte sie es unter einem kegelförmigen Kopfputz mit Schleier verborgen, sodass es sich im Nacken hinten in einem Silbernetz fing, in das unzählige Diamanten und Kristalle gewoben waren.
Kaum wich John von meiner Seite, bemüßigte Elizabeth Woodville sich, mir ein paar Worte zuzuwerfen, als sie am Arm ihres Sohnes an mir vorbeischritt. »Ich höre, Ihr habt neuerdings einen Sohn?«, sagte sie und beobachtete mich mit Adleraugen. Ich verneigte mich tief. »Einen Erben, den Ihr mit Anne Holland verlobtet, der Tochter der Duchess of Exeter?«
Wieder neigte ich den Kopf. »Ja, Euer Gnaden«, sagte ich so ehrfürchtig, wie ich konnte, und hoffte inständig, sie nicht versehentlich zu beleidigen, war sie doch berüchtigt dafür, Beleidigungen wahrzunehmen, wo gar keine beabsichtigt waren. Ihr Sohn Thomas Grey beäugte mich mit einem hochnäsigen, geistesabwesenden Blick. Elizabeth Woodville senkte die Lider, reckte das Kinn und schritt weiter. Ich wunderte mich, dass sie mich überhaupt beachtet hatte. War sie eifersüchtig, dass ich einen Sohn hatte und sie König Edward bislang nichts als ein Mädchen hatte schenken können?
Kurz darauf sollte ich den Grund für ihre Frage nach Georgie erfahren. Die Königin hatte die Wunde für den Stich vorbereitet: Die kleine Anne Holland, Tochter und Erbin des Duke of Exeter, die unserem George als Gemahlin versprochen war, war von Elizabeth Woodville für ihren Sohn Thomas Grey gegen Zahlung von viertausend Mark abgeworben worden. Als wir die Duchess of Exeter Monate später in Middleham wiedersahen, entschuldigte sie sich bei uns, so gut sie es wagte. »Heiratsangelegenheiten werden dieser Tage nicht mehr notwendig von uns selbst entschieden«, sagte
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