Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
ob wir arm oder reich sind, ob uns ein langes oder kurzes Leben beschieden ist. Ich würde nichts anderes erbitten wollen!«
»Ein unbedachter Schwur«, entgegnete Ursula, die sich rasch bekreuzigte, um den Teufel abzuwehren. »Ich bete, dass Ihr heiraten dürft und lange und glücklich lebt.« Sie schüttelte sich, als müsste sie den Gedanken fortjagen. »Aber es sind fürwahr große Wünsche, und in dieser Welt ist es den wenigsten vergönnt, mit dem Menschen vermählt zu werden, den sie lieben. Ihr wärt gesegnet, sollte sich Euer Herzenswunsch erfüllen.«
»Denkst du, es wird jemals anders? Dass sich die Welt je ändern könnte?«
»Ich würde meinen, ja, doch das ist kein Trost, denn es zählt das Jetzt. Und noch etwas zählt, nämlich was Ihr heute Abend tragt.« Sie stand auf und ging zu meinen vier Kleidern, die an Haken in der Ecke hingen. »Als ich Wasser holen war, hörte ich von Agatha, der Köchin, dass in der großen Halle zum Tanz aufgespielt wird. Die Königin ist aus Kent zurück, und die Burg feiert ihre Heimkehr. Also müsst Ihr Euch herausputzen.« Sie sah die Kleider durch. »Nicht die lavendelfarbene Robe, die ist zu elegant und majestätisch … Nein, das grüne Kleid ist nicht festlich genug … Ah! Das weinrote …« Sie nahm das Kleid hervor und hielt es in die Höhe, damit ich es mir ansah. Es war mit winzigen Kristallen bestickt, hatte schmale Ärmel und einen mit Fuchsfell verzierten Ausschnitt. Auf dem Oberteil waren feine Silberstickereien, passend zum breiten Gürtel in der hohen Taille.
Ich befühlte den Pelzbesatz. »Aber Fuchs ist nicht in Mode, Ursula.«
»Wird er sein, meine Teure, sobald Ihr ihn tragt«, erwiderte sie munter. »Lavendel war auch nicht modisch, bis Ihr es zur Audienz bei der Königin trugt. Und wie viele zweifarbige Roben in Schwarz und Silber gab es, bevor die Damen Euch in einer ebensolchen erblickten? Sie ahmen stets nach, was Ihr anzieht, habt Ihr es noch nicht bemerkt? Die anderen Damen haben sogar aufgehört, ihr Haar zu locken, und hoffen, es würde gleichfalls zu einer solch schweren Seidenschleppe wie bei Euch. Nur wird es das nicht, denn keine besitzt so dichtes, schimmerndes Haar wie Ihr.«
»Ach, Ursula«, sagte ich und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, »du bist zu gut zu mir!«
»Ja, heute Abend tragt Ihr Weinrot und das Haar offen mit eingeflochtenen Kristallen und Perlen.« Sie blieb stehen und betrachtete mich. »Eines werde ich nie verstehen. Ihr dürft essen, so viel Ihr wollt, und bleibt doch so schmal.«
Ich sah an mir hinunter. Es stimmte, dass ich mein Essen mit Appetit genoss.
»Das ist ungerecht, meine Teure, absolut ungerecht«, seufzte Ursula.
Sie musste mich aufs Beste gekleidet und frisiert haben, denn ich zog mehr Blicke als sonst auf mich, als ich meinen Platz in der großen Halle zwischen zwei jungen Rittern einnahm. Sie buhlten während des gesamten Abendessens um meine Gunst, sodass es höchst unterhaltsam für mich war. Nach dem Essen führte ein Zigeuner einen Löwen an einer Kette in die Halle und ließ ihn durch brennende Reifen springen, was die Zuschauer mit zahlreichen Ohs und Ahs belohnten. Danach stiegen Musikanten auf die Galerie und füllten die Halle mit Musik. Edelsteine blitzten, als sich edle Herren und Damen zum Tanz erhoben.
Ich tanzte mit beiden Rittern, und ein dritter kam, der mich in einen Reigen entführte. Ihm folgten noch mehrere andere. Schließlich war ich erschöpft und musste weitere Bitten ablehnen, doch kaum saß ich auf meinem Platz, stand Somerset vor mir.
»Mylady?« Er verneigte sich.
Ich erhob mich steif und legte die Hand so leicht in seine, dass sie fast in der Luft schwebte.
»Ihr seht heute Abend besonders liebreizend aus«, sagte er, als er mich in die Mitte der Halle führte. »Mir scheint, Ihr gewinnt mit jedem Tag an Schönheit, als sähen wir einer Rose beim Erblühen zu.«
»Ihr täuscht Euch, Mylord«, entgegnete ich, während wir uns zur Musik bewegten. »Vielleicht habt Ihr zu viel von dem köstlichen Wein genossen, der heute Abend ausgeschenkt wird.«
»Oh, nein, denn nicht nur ich bin dieser Ansicht, sondern auch viele andere. Und ich schätze mich glücklich, mit Ihnen tanzen zu dürfen, scheint mir doch die Hälfte der Herren in dieser Halle einen Tanz mit Euch herbeizusehnen.«
»Es sind zu wenige Damen anwesend, Durchlaucht, sonst nichts.«
»Ihr seid zu bescheiden.« Er drehte mich unter seinem Arm hindurch, und ich tanzte leichtfüßig um ihn herum.
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