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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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Sie kam aus einer kleineren Kammer, in der ein Goldhändler seine Waren einer Gruppe von Damen vorführte. Ich lief zu ihr und gab mich betont ruhig, weil die anderen uns hören konnten. »Ursula, ich habe meine Silberbrosche verloren.«
    Ein Blick in mein Gesicht verriet ihr, dass mir weit Wichtigeres auf dem Herzen lag, und sie spielte mit. »Ach, Mylady Isobel, sorgt Euch nicht, denn ich glaube, sie war zuletzt an Eurem grünen Kleid.«
    Kaum waren wir in unserem Gemach, drehte ich mich zu ihr und fasste ihre Hände. »Ursula, der Earl of Salisbury bestellt mich in seine Londoner Residenz! Was soll ich anziehen? Oh, und mein Haar sieht fürchterlich aus! Ich hätte es am letzten Samstag waschen sollen, als wir noch ein wenig Sonnenschein hatten. Hilf mir bei meinem Gesicht, und beeile dich, bitte!«
    Ursula schenkte mir einen Kelch Wein aus der Flasche in der Zimmerecke ein. »Hier, der beruhigt Euch und verleiht Euch wieder ein bisschen Farbe. Ihr seid ja weiß wie gebleichtes Leinen. Was Eure Kleidung angeht, verlangt ein solch wichtiger Anlass nach dem schönen lavendelblauen Gewand mit Silberstickerei, das Ihr bei Eurer ersten Begegnung mit Sir John trugt.« Sie eilte in die Ecke, holte besagtes Kleid hinter den anderen hervor und hängte es ganz vorn auf den Haken. Eifrig wuselte sie durchs Zimmer, schaute in Truhen und Ecken nach allem, was sie brauchte, und murmelte dabei vor sich hin: »Wo ist die Perlenkette mit den Kristallen? Ich war sicher, dass ich sie in den Schmuckkasten gelegt hatte, aber vielleicht ist sie auch beim Haarschmuck …« Sie sammelte eine Schachtel hier, eine Tinktur dort ein, eine Brosche, eine Klammer, Bänder und Tücher. Diese erste Ladung deponierte sie auf dem Bett und begab sich auf die Suche nach den übrigen Sachen, bis sie alles auf einem Haufen zusammenhatte. »Dieser Salbenflakon ist so winzig, dass ich ihn nicht sehe, wenn er gleich vor meiner Nase ist … ah, da ist er ja!« Sie blickte lächelnd zu mir auf. »Keine Bange, teure Isobel. Wenn ich Euch fertig hergerichtet habe, wird niemand je wieder vergessen, wie Ihr am heutigen Tage ausgesehen habt.«
    Der Wein wirkte einschläfernd auf mich, und meine Hände zitterten nicht mehr. Ursula ging einen Krug Wasser holen, den sie auf dem Nachtschrank abstellte. Nachdem sie mich vollständig entkleidet hatte, stand ich bibbernd da und ließ mir Gesicht, Hals und Arme mit einem heißen, in Kräuterwasser getunkten Schwamm abreiben. Anschließend trocknete Ursula mich ab, trug mir Rosenöl auf und warf mir eine Decke über die Schultern. Ich setzte mich auf einen Hocker, damit sie sich meinem Gesicht widmen konnte. Sie dunkelte meine Augenbrauen nach und betonte meine Augen mit Kohle; mit Granatapfelpaste verlieh sie meinen Wangen und den Lippen einen rosigen Ton. Dann flocht sie mein Haar auf und bürstete es mit einer Wildschweinbürste, bis es in einem schimmernden Fluss über meinen Rücken bis zu den Hüften fiel, glatt wie Seide.
    Nun war ich bereit, angekleidet zu werden. Ich zog mein Hemdchen über und stieg vorsichtig in mein Kleid.
    Ursula hakte die Kristallknöpfe des engen Mieders und der Ärmel zu, richtete den Fellbesatz am Ausschnitt, sodass er meine Schultern zur Geltung brachte, und hängte mir die Ketten um. »Und die reizende Brosche Eurer Mutter kommt hierher«, sagte sie und steckte sie mir hoch an die Schulter neben den Feh-Kragen. Nachdem sie die üppigen Falten des Kleides arrangiert hatte, steckte sie mir den Goldreif ins Haar, von dem eine einzelne Perle in meine Stirn hing, und wob Kristalle in mein fließendes Haar, ehe sie einen dünnen Schleier darüberlegte.
    Sie trat einen Schritt zurück und betrachtete ihr Werk. »Ihr glitzert wie eine Feenkönigin, oder, nein, mit Eurem schmalen Hals, den glänzenden dunklen Augen und dem dunklen Haar seid Ihr eher ein schwarzer Schwan. Hier, seht selbst.« Sie hielt den Spiegel in die Höhe, damit ich mich sehen konnte.
    Beim Anblick meines Spiegelbildes musste ich lächeln. »Ich danke dir, liebe Ursula«, sagte ich, denn immerhin war sie es gewesen, die diese Wandlung herbeigeführt hatte, und umarmte sie.
    Ursula wich zurück, als die Umarmung ein klein wenig zu lange dauerte. »Was ist das?«, fragte sie, weil ich den Kopf senkte. »Sehe ich da etwa eine Träne? Ihr ruiniert ja meine Arbeit!«, schalt sie sanft. »Was ist Euch, meine Liebe?«
    »Ich fürchte mich so sehr, Ursula«, flüsterte ich. »Was ist …« Ich verstummte, denn ich musste schlucken.

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