Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
gefährlich, liebste Isobel! Ihr seid guter Hoffnung! Und was ist mit Somerset? Er könnte dort sein, und Ihr wärt ohne Schutz!«
»Ich kann nicht hier sitzen und warten, Ursula. Das Wenigste ist, dass ich versuche, meinen Einfluss bei der Königin – so ich denn je welchen hatte – geltend zu machen, um sie zu bewegen, dass sie John freilässt.«
»Es wäre unnütz, Gnade von ihr zu erbitten, Mylady. Wie es sich anhört, hat sich die Königin verändert. Sie ist nicht mehr so, wie Ihr Euch an sie erinnert. Ich flehe Euch an, Isobel, geht nicht zu ihr! Es kann damit kein Schaden abgewandt werden, höchstens Euch widerfahren.«
»Was ist mit dem Schaden, den John erleidet? Nein, ich muss hinreiten! Wir verlassen Coventry, gleich nachdem ich sie gesprochen habe.«
Ich erzählte es weder der Countess noch Maude. Ihnen sagte ich, ich müsste mich um dringende Reparaturen an meinem Gutshaus in Eversleigh kümmern – was John zu erledigen versprochen hatte.
Während der Reise nach Süden nahm ich kaum etwas um mich herum wahr. Meine Gedanken kreisten fast ausschließlich um unsere Ankunft und die Worte, die ich der Königin gegenüber äußern würde. Wir überquerten den breiten roten Burggraben und ritten in den Hof. Die Sonne schickte Scherbenausschnitte von Licht durch die bernsteinfarbenen Scheiben, und der Wind raschelte im goldenen Herbstlaub, als wir dem alten, vertrauten Pfad durch den Lustgarten zu den königlichen Gemächern im Kaiserturm folgten. Die Schönheit all dessen vermochte mich nicht zu trösten, war die Burg doch erfüllt von Betriebsamkeit, und die Mienen derjenigen, an denen wir vorbeikamen, wirkten finsterer denn je. Ursula bog zu den Küchen ab, wo sie hoffte, etwas Nützliches zu erfahren. Ich begab mich auf die Suche nach der Königin.
Ich fand Marguerite im niedrigen Vorzimmer, das ihr in Coventry immer schon das liebste gewesen war. Mit der kunstvoll verzierten Decke, den farbigen Fenstern und dem bunten Mosaikboden besaß der Raum neben dem Sonnenzimmer einen besonderen dunklen Glanz. Als ich kam, lief die Königin stürmisch im Zimmer umher und diktierte einen Brief. Ihr sechsjähriger Sohn, Prinz Edward, war bei ihr; er hockte auf einer großen Truhe in der Zimmerecke und säuberte sich die Fingernägel mit einem winzigen Dolch. Nahe bei ihm lag ein junger Hund, der ihn aufmerksam beobachtete, und in einem Silberkäfig, der in einer Ecke von der Decke baumelte, zwitscherten drei gelbe Finken.
Der Landsknecht meldete mich an. Sogleich brach die Königin ab und blickte mit einer solchen Feindseligkeit zu mir, dass ich erstarrte. Dann verneigte ich mich tief.
»Ah, Isabelle! Steh auf, meine Liebe!«, sagte sie mit jener freundlichen Stimme, an die ich mich erinnerte. »Für einen Moment hielt ich dich für jemand anderen. Manchmal denke ich, wir sind von Feinden umlagert, aber, ach was, sei willkommen! Edward, mein Prinz, erinnerst du dich an Lady Isabelle Ingoldesthorpe?«
Prinz Edward sah mich an und nahm den Dolch herunter, als ich einen Knicks machte. »Du bist fett«, sagte er.
Lächelnd sah ich zu Marguerite, die lachte und ihm durchs Haar wuschelte. » Mais oui , mein süßer Edward, sie sieht französisch aus, nicht?«
Er nickte. »Ich schneide ihr nicht den Kopf ab, Maman.«
Seine Worte schockierten mich, doch ich wahrte die Fassung.
Wieder lachte die Königin. » Non , natürlich nicht!« Sie betrachtete ihren Sohn voller Zärtlichkeit. »Lady Isabelle ist unsere Freundin, und wir schneiden unseren Freunden nicht den Kopf ab, nur unseren Feinden.«
Mich überlief ein kalter Schauer.
»Komm!«, sagte sie und ging voraus zu einem Sarazenerteppich mit großen blutroten Blumen. Dort setzte sie sich vor den Kamin und richtete sorgsam ihre Röcke. Als ich ihr gegenüber auf einem niedrigen Stuhl Platz nahm, bemerkte ich, dass sie in den zweieinhalb Jahren seit dem Versöhnungsfest sehr gealtert war. Ein Diener brachte uns gewürzten Wein und Konfekt, doch ich war zu nervös, um etwas zu essen. Ich nahm den angebotenen Kelch und hielt ihn mit beiden Händen, weil ich schrecklich zitterte.
»Isabelle, meine Teure, wie vieles ist geschehen, seit du fortgingst!«, sagte die Königin, trank einen Schluck Wein und stellte den goldenen Kelch auf den damastverhüllten Tisch zwischen uns. »Ich hatte furchtbar viele Schwierigkeiten. Dabei habe ich mich so bemüht, wie du weißt … Entsinnst du dich noch des Liebesfestes? Wie vielversprechend alles aussah?«
Ich sah das Bild
Weitere Kostenlose Bücher