Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
bei Coleshill abfangen!«
»Coleshill … das ist ganz in der Nähe von Warwick Castle. Warwick muss dort entlangreiten. Aber woher weißt du, dass es stimmt?«
»Ich habe meiner Freundin Mavis gesagt, dass Ihr hofft, Lord Somerset zu sehen, und da hat sie mir erzählt, dass er fort sei und nicht so bald zurückerwartet werde. Mehr wusste ich nicht, bis ich zufällig mithörte, wie Mavis sich mit der Chefköchin unterhielt. Sie lachten zusammen, dass demnächst, dank der angenehmen Überraschung, die Somerset für Warwick bei Coleshill plane, das Kommando über Calais frei werde. Und sie haben gewettet, ob es an Somerset, Exeter oder Wiltshire geht.«
Ich schloss die Augen.
Beim Erber angekommen, saß ich am Flussufer, wartete auf Warwick und beobachtete das Treiben auf der Themse. Ich war sehr froh, jedoch auch äußerst besorgt. John war sicher, aber die Aussicht auf eine friedliche Lösung schwand zusehends. Edward of March hatte recht: Königin Marguerite glaubte entgegen aller anderslautender Beteuerung, dass sich die Probleme im Königreich einzig mit dem Schwert lösen ließen. Sie entstammte einer Linie sturköpfiger Frauen, die ihre schwachen Männer mit eiserner Faust beherrschten und absolute Macht als ihr königliches Recht erachteten. Während Marguerites Vater, der brave Duke René, seine Verse geschmiedet hatte, hatte ihre Mutter Krieg geführt – und nur Verträge unterzeichnet, wenn ihr nichts anderes übrig geblieben war.
Nein, Marguerite würde niemals die Macht mit einem Mann teilen, der ihr nicht ebenbürtig war. Gründe wie eine gute Regierung, Gerechtigkeit oder Frieden überzeugten sie nicht, weil sie ihr wenig bedeuteten. Frieden war für sie der letzte Ausweg; ihn schlossen nur Besiegte. Einzig wenn sie durch eine Niederlage gezwungen waren, suchten die Frauen in ihrer Familie Frieden.
Solcherlei finstere Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich auf den Fluss blickte.
Ich sandte einen Brief an Maude und die Countess in Middleham, in dem ich meinen Besuch bei der Königin erklärte und ihnen erzählte, dass ich ihr das Versprechen hatte abringen können, für Johns und Thomas’ Unversehrtheit zu sorgen. Danach ging ich zu Bett. Schließlich verlangte meine Schwangerschaft, dass ich ausreichend Ruhe bekam.
Zum ersten Mal seit Wochen schlief ich tief und fest in dem Wissen, dass John nichts geschehen würde. Als die Glocken zur Prim läuteten, weckte Ursula mich aufgeregt. Schläfrig öffnete ich die Augen. Ich war immer noch so müde, dass sich meine Glieder bleiern anfühlten. »Mylord Warwick ist in Kent angekommen und auf dem Weg nach London! Die ganze Stadt ist in hellem Aufruhr. Vielleicht können wir seiner Ankunft beiwohnen!«
Rasch kleidete ich mich an, trank ein wenig Wein und aß warmes Brot. Bald schon drängelten wir uns durch die jubelnde Menge auf den Straßen. Alle waren vergnügt wie an einem Festtag, schubsten sich gegenseitig, johlten und winkten mit ihren Kappen.
»Dort ist er, Mylady! Dort!«
Ursula zeigte hin. Wir hörten Fanfarenklänge, und ein großer Jubel hob an, der sich einer Riesenwelle gleich durch die wartende Menge fortsetzte. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um über die Köpfe hinwegzublicken, und sah, wie der Bürgermeister und die Ratsherren Warwick zur Begrüßung entgegenschritten. Er wurde willkommen geheißen, sie wechselten ein paar Worte, dann ritt Warwick mit seinem Gefolge zum Erber.
»Schau nur, der großartige Earl of Warwick!«, sagte eine Mutter zu dem Kleinkind in ihren Armen und hob es höher.
»Hurra für Englands Helden!«, brüllte ein Mann.
»Lange lebe der Captain of Calais!«, rief ein anderer.
Endlich konnte ich Warwick besser sehen. Er genoss den Empfang und ritt mit einer Hand an der Hüfte durch die Straßen. Lächelnd nickte er den Leuten zu, als drückte ihn keine Sorge der Welt. Hinter ihm marschierten zweihundert Landsknechte und vierhundert Bogenschützen, sämtlichst in scharlachroten Tuniken mit dem Wappen des Bären und des verzweigten Stammes.
»Welcher ist Trollope?«, fragte ein Junge, der vor mir stand. Ich hielt ihn für einen Fischhändler, weil er stark nach Meerwasser roch und eine blutbefleckte Lederschürze trug.
»Meinst du den Helden aus den französischen Kriegen?«, antwortete ein Bäcker, der sogar in den Wimpern Mehlstaub hängen hatte. »Er ist der mit der Augenklappe und dem Tuch um den Kopf, gleich hinter Warwick. Kannst ihn gar nicht übersehen.«
Ich sah ebenfalls hin und
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