Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
dass sie es nicht ist.« Lächelnd stützte ich das Kinn in die Hand und blickte zum Fenster hinaus. »Stell dir seinen Neid und seine Betroffenheit vor, wann immer er hinüber zu den Marschen von Calais blickt! Er kann es sehen, aber nicht einnehmen, jenen Preis, den er sich so lange und so hartnäckig erkämpfte. Der gehört immer noch einem anderen.« Ich drehte mich zu meiner Schwägerin. »Ich finde das herrlich, Maude.«
Sie knuffte mich mit dem Ellbogen und lachte. »Du könntest Calais sein, Isobel, nicht wahr? Auch du bist der Preis, den er so lange wollte und nicht bekam.«
Im ersten Moment erschrak ich, dann lachte ich. »Oh, Maude, stell dir doch nur vor, in beidem zu scheitern, der Liebe und dem Krieg! Wie betrüblich! Beinahe tut er mir leid, der arme Wicht.« Wir beide schütteten uns aus vor Lachen.
Unsere Schadenfreude sollte nicht von Dauer sein, denn bald erreichten uns Nachrichten, die uns großen Kummer bereiteten. Während Warwick, der Earl of Salisbury und der Duke of York für ihre Feinde unerreichbar waren, waren es deren Freunde und Untergebenen nicht. Die Königin hatte ihre Bemühungen verschärft, die Yorkisten-Unterstützer auszurotten, und furchtbare Neuigkeiten erreichten uns aus Newbury. Dort führte der Earl of Wiltshire – der Feigling, der vom Schlachtfeld bei St Albans geflohen war – eine brutale gerichtliche Untersuchung durch. Nicht zufrieden damit, alles Land und allen Besitz der Leute zu konfiszieren, befahl er, dass viele der Männer gehängt, gestreckt und gevierteilt wurden.
Die Feinde des Dukes machten beim Niedergang von York reiche Ernte: die Einkommen aus den Ämtern, die Jahreserträge der beschlagnahmten Ländereien und die Strafen, die sie jenen abverlangten, die sie begnadigten, wurden unter den Günstlingen der Königin aufgeteilt. Immer mehr Köpfe erschienen an der London Bridge und gevierteilte Torsos zierten die Stadttore. Exeter, der Warwick seit dem Tag hasste, an dem ihm der Admiralitätstitel entzogen worden war, erhielt den Auftrag, in See zu stechen und Warwick zu vernichten.
Falls die Königin dachte, sie könnte Yorks Anhänger mit solch brutalen Methoden auslöschen, sollte sie bald feststellen, dass sie irrte. Ihre Grausamkeit brachte eher noch mehr Leute gegen sie auf und nahm sie für York ein. Zudem erschien eine neue Ballade an der Pforte in Canterbury. Sie pries Salisbury als den Inbegriff der Besonnenheit und Warwick als die Blüte der Menschheit und erklärte, das Volk wünsche die Rückkehr der Yorkisten mit bewaffneten Kräften, auf dass sie das Königreich übernahmen.
Ich half Countess Alice, den Haushalt zu organisieren, streng über die Ausgaben zu wachen, Bittsteller zu empfangen, Streitereien zu schlichten, Mahlzeiten zusammenzustellen, Reparaturen an der Burg und den Schutzmauern zu beaufsichtigen, Löhne auszuzahlen, Feste zu planen, die Pflege und den Unterricht der Kinder zu beaufsichtigen und die Kranken zu pflegen. Unterdes sah ich immer wieder zum Tor, ob Ankommende Nachricht brachten. Wandergesellen berichteten, was sie bei der Arbeitssuche in den Städten erfahren hatten, Kaufleute erzählten, was sie in den Klöstern und Gasthäusern gehört hatten, in denen sie Station gemacht hatten. Angespornt von ihrem Erfolg bei Ludlow, hatte die Königin weitere gerichtliche Untersuchungen in Kent und anderen Grafschaften in Auftrag gegeben, in denen die Yorkisten freundlich aufgenommen worden waren. Der verhasste Scharfrichter von Newbury, der Earl of Wiltshire, sollte diese Untersuchungen leiten, um jedem Furcht einzuflößen, der es wagte, einen Yorkisten aufzunehmen.
»Dabei ist Wiltshires eigenes Herz voller Furcht«, bemerkte die Countess eines kalten Wintertages. Es war der Tag nach Weihnachten, das wir betrübt verbracht hatten. »Unter dem Vorwand, gegen Warwick zu kämpfen, ist er nach Southampton und kaperte ein paar Genueser Schiffe. Dann floh er nach Holland. Anscheinend weiß er, wie sehr die einfachen Leute Warwick achten, und hat schreckliche Angst, sie würden sich für seine Gräueltaten in Newbury rächen.«
»Wie mutig er doch ist!«, sagte ich angewidert. Ich entsann mich des hübschen Dukes, den ich erstmals gesehen hatte, wie er aus dem Audienzzimmer der Königin in Westminster gekommen war.
»Ja, es scheint, als umgäbe sich die französische Königin mit den Kühnsten und Ehrbarsten unseres Landes«, entgegnete Countess Alice mit beißendem Sarkasmus.
Am Abend, dem letzten des alten Jahres 1459,
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