Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
gingen wir gemeinsam in die Kapelle, zündeten Kerzen an und beteten.
Countess Alice sagte: »Was auch kommen mag, wir dürfen nie das Wichtigste vergessen, nämlich dass unsere Männer leben. Solange sie wohlauf sind, bleibt uns die Hoffnung, dass am Ende alles gut wird.«
Ich stimmte ihr stumm, aber von ganzem Herzen zu. Jede von uns in ihre Gedanken versunken, gingen wir anschließend in das Sonnenzimmer, um einen Becher Wein zu trinken und das neue Jahr still willkommen zu heißen. Die Countess arbeitete an ihrem Gobelin, ich spielte die Leier, und Maude saß auf der Fensterbank, lauschte meinem Lied und blickte hinaus in die stürmische Dunkelheit. Es war eine beängstigende Nacht. Der Wind heulte um die Burgmauern, ich sang von Liebe und Tod, und mir kam es vor, als ritten die vier Reiter der Apokalypse durch die Dunkelheit, die mit Tod, Pest, Krieg und Hunger wüteten und versprachen, dass Schlimmeres kommen würde. Ich schaute zum Fenster und glaubte wahrhaftig, ihre schemenhaften Gestalten durch die Finsternis galoppieren zu sehen. Und eine der Schemen war eine Frau von der Gestalt Marguerite d’Anjous.
Ich beendete meinen Klagegesang und stimmte eine heitere Melodie an, von der ich mir erhoffte, dass sie meine Angst vertrieb.
Wenige Wochen später, an einem nebligen Januarabend, vertraute die Countess uns an, dass sie nach Irland gehen würde. Alles war vorbereitet und keine Zeit mehr zu verlieren. Heimlich packten Maude und ich ihre Truhe. Nach einem tränenreichen Abschied mitten in der Nacht sahen wir sie mit dem Pilger zusammen fortgehen. Als sie uns von ihrer sicheren Ankunft schrieb, teilte sie außerdem mit, dass Warwick in Bälde in Irland erwartet wurde, wo er mit dem Duke of York die Pläne für ihre Rückkehr nach England besprechen wollte. Sie schrieb:
Ich bedaure, nicht bei dir zu sein, liebe Isobel, und dir nicht bei der baldigen Niederkunft helfen zu können. Ich bete für dich und die kleine Seele, dass alles gut verlaufen und Gott dich und mein Enkelkind schützen möge.
Aber es verlief nicht gut. Im März, der Winter raffte sein schmutziges Kleid und die Felder machten sich für den Frühling bereit, war ich im Stall, wo ich Rose ein wenig Zucker gab, als die Wehen einsetzten. Ich stolperte nach draußen. Es war noch zu früh, denn das Kind sollte erst in einem Monat zur Welt kommen. Mehrere Jungen liefen herbei und trugen mich in meine Kammer. Die Hebamme wurde gerufen, und sie stand mir mit Ursula und Maude während der langen Stunden bei. Durch die Krämpfe hörte ich ihre Stimmen nur gedämpft, stöhnte die Nacht hindurch und nahm lediglich wahr, dass mir immer wieder die Stirn mit kaltem Wasser abgewischt wurde.
Als der Morgen anbrach, war nichts zu hören bis auf den Gesang der Vögel. Keine laufenden Schritte oder Kinderlachen, keine Befehle an Bedienstete, kein Klappern von Frühstücksgeschirr. Nur Stille. Ich bemerkte, dass meine Schmerzen aufgehört hatten. »Ist es ein Junge oder ein Mädchen?«, fragte ich.
Weder Ursula noch Maude antworteten.
Mühsam versuchte ich, mich aufzusetzen und selbst nachzusehen, doch mein Körper war wie von Bleigewichten beschwert. Keuchend sank ich auf das Laken zurück. »Junge oder Mädchen?«, wollte ich noch einmal wissen.
Nach einigem Zögern sagte die Hebamme: »Ein Junge.«
»Wo ist er? Geht es ihm gut? Ich will ihn sehen.«
»Später, Isobel. Ihr seid schwach und braucht Ruhe.« Das war Ursulas Stimme.
Mit einem erleichterten Seufzer ließ ich meine Augen zufallen. Ursula hatte recht: Ich war erschöpft.
»John wird sich sehr freuen«, flüsterte ich. »Ich werde ihn John nennen. John . Dann haben ich zwei Johns, die ich lieben kann.«
Danach musste ich eingeschlafen sein, denn als ich die Augen wieder öffnete, dämmerte es bereits, und der Himmel war fahl. Nun schaffte ich es, mich auf die Ellbogen aufzustützen. Ursula döste neben meinem Bett, wurde allerdings gleich wach, als ich mich regte. Im Zimmer war es sehr still. Wo war mein Baby?
»Ich möchte meinen kleinen John sehen …«, sagte ich. Ursula ergriff meine Hand und hielt sie fest, doch sie antwortete nicht. Was war los? Wo waren alle anderen? Warum weinte mein Kind nicht?
Ursula sah mich an. Ihre Mundwinkel bebten, und Tränen glänzten in ihren Augen. »Es tut mir leid, Isobel, so leid, meine gute Lady … Euer Kind …« Weiter konnte sie nicht sprechen.
Verwirrt starrte ich sie an. Durch das offene Fenster war der Abendgesang der Mönche zu hören. Die
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