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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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meinst du damit?«
    »Ich bin Megaira, Herzchen. Und meine Lieblingsbeschäftigung ist es, in furchterregende Wut auszubrechen. Ich hetze diejenigen, die sich an Frauen und Kindern vergangen haben, und solche, die Blut vergossen haben. Und ich hetze sie bis zum Tode!«
    Ein freudloses Lachen begleitete diese Worte, und die Göttin merkte, wie hinter ihrem Rücken der kleine Dämon heftig an ihrem Kleid zupfte.
    »Die ist vielleicht nicht ganz die Richtige«, flüsterte er, aber die Göttin, der zwar bewusst war, dass diese Eigenschaften nicht eben Freundschaften fördern würde, gestand sich ein, dass sie prinzipiell nichts gegen die Grundsätze der Furie hatte, und nahm dankend ihr Geschenk an. Ein höhnisches Gelächter erklang, und die drei Fackeln verlöschten in der schwarzen Nacht.
    »Na prima«, sagte die Göttin und hob die Peitsche auf, die die Megaira ihr vor die Füße geworfen hatte. Nachdenklich spielte sie damit, probierte sie ein-, zweimal aus, ließ sie mit einem Zischen durch die Luft sausen und versetzte damit den kleinen Dämon in Schrecken.
    »Warum hast du dir nicht eine Fackel geben lassen?«, jammerte er und sprang, um einem weiteren, mehr oder weniger ungezielten Hieb auszuweichen.
    »Ich empfand die Furien nicht als so angenehme Gesprächspartnerinnen, um lange mit ihnen zu verhandeln. Außerdem – irgendwann wird es auch wieder Morgen werden, was soll ich dann mit einer Fackel. Das hier«, wieder zischte die Peitsche, »ist viel nützlicher!«

KAPITEL 42

    Besuch bei der alten Dame
    Patrick hatte so manches über Labyrinthe herausgefunden und begegnete dem Thema mit der ihm eigenen Logik. Ihn faszinierten nämlich nicht die Mythen oder die symbolische Bedeutung, sondern die geometrische Konstruktion. Er murmelte geistesabwesend etwas von sieben-, neun- und elfgängigen Labyrinthen, bedeckte Blätter mit Kurvenlinien, die sich um für mich wahllos verstreute Punkte wanden, und produzierte Gebilde, die er Typ Chartres oder modifiziertes Kretisches nannte. Wie üblich, wenn er sich mit einem abstrakten Problem auseinandersetzte, erzielte er erstaunliche Ergebnisse, und ich nahm mir vor, bei Gelegenheit mit seinen Lehrern einmal darüber zu sprechen, ob es für ihn nicht eine besondere Förderungsmöglichkeit gab. Meiner eigenen Problematik jedoch half seine Konstruktionswut nicht weiter. Ich musste mich um einen anderen Weg kümmern. Zunächst versuchte ich, mir all die Gespräche in Erinnerung zu rufen, die ich mit Gita geführt hatte, aber so recht wollten keine Anhaltspunkte auftauchen. Das Einzige, was mir einfiel, war ein Name. Eine Freundin von Gita, etwa im gleichen Alter, die sie hin und wieder besucht hatte. Waltraud Seebruk hieß sie, und wenn ich mich recht erinnerte, wohnte sie jetzt in einer Seniorenresidenz. Es war schon beinahe zwei Jahre her, dass ich sie getroffen hatte, und ich hoffte, sie lebte noch. Ein paar Telefonate, und ich hatte sie gefunden. Sie lebte nicht nur, sie erinnerte sich auch an mich.
    »Ah, die junge Frau mit der weißen Strähne. Aber natürlich weiß ich, wer Sie sind. Selbstverständlich können Sie mich besuchen kommen. Ich habe nicht mehr so viele Termine, als dass ich Sie nicht noch irgendwo einschieben könnte. Was halten Sie vom nächsten Wochenende?«
    Patrick hatte einen Tischtenniswettkampf außerhalb, zu dem ich ihn eigentlich hätte fahren müssen, aber dann entschied ichkaltblütig, dass Damon auch hier seinen Verpflichtungen nachkommen konnte, und sagte zu.
    »Patrick, glaubst du, du könntest deinen Vater überreden, dich am Samstag zum Wettkampf zu fahren? Ich habe einen wichtigen Besuch zu machen.«
    »Mh? Oh, kein Problem.«
    Es war dann auch keines, und ich machte mich in Ruhe für den Besuch bei der alten Dame fertig. Es war recht warm geworden, und darum liebäugelte ich mit einem ärmellosen grünen Chiffonkleid, das in mehreren Lagen hübsch um mich herumflattern würde.
    Es gefiel Frau Seebruk, die mich in ihrem kleinen, aber komfortablen Apartment empfing.
    »Viel hübscher als diese farblosen Sachen, die Sie im Dienst getragen haben. Aber zum Bettschüsselnwechseln natürlich nicht so geeignet, das sehe ich ja ein. Begleiten Sie mich in den Park, es ist ja so herrlich heute. Ich meine, wenn es Ihnen nichts ausmacht, dieses Ding hier zu schieben. Meine Beine sind für lange Wege leider ein bisschen müde geworden.«
    Langjährige Übung ist doch ganz nützlich, sagte ich mir, half ihr geschickt in den Rollstuhl und schob sie über

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