Die Herrin des Labyrints
mit ihren gelben Augen, und unter dem dunklen Grün versteckten sich duftende Veilchen.
»Hübsch hier, findest du nicht auch, Galla?«
Der kleine Dämon rümpfte abfällig die Nase. Für den uneingeschränkten Genuss von Naturschönheiten war er denn doch noch zu dämonisch.
»Es riecht zu süßlich, es ist so kitschig bunt, und diese Schmetterlinge juchzen und kichern mir zu fröhlich.«
»Teufel, bist du schlecht gelaunt!«
»Und diese Maid im Hemd da vorne benimmt sich auch mehr als affig!«
Aufmerksam gemacht beobachtete die Göttin jetzt auch das zarte junge Mädchen in dem wehenden weißen Hemd, das traumverloren über die Wiese tändelte, hier ein Blümchen pflückte, da an einer Blüte schnupperte, dort nach einem Schmetterling haschte. Goldene Locken umwehten ihr milchweißes Gesicht und wurden nur von einem Blütenkranz gebändigt.
»Wir sind im Elfenland, wie mir scheint«, meinte die Göttin, und Galla verzog den breiten Mund, so dass seine spitzen Zähne zu sehen waren.
»Dann hätten wir uns ja ziemlich verirrt, was? Aber haben Elfen nicht Flügel?«
»Stimmt auch wieder. Wir werden sie fragen müssen, wo wir hier sind.«
Die Göttin winkte dem jungen Mädchen zu, und es kam fröhlich angehüpft.
»Hallöchen, ihr beiden. Ist es nicht ein gigantisch schöner Morgen, so richtig ein himmlisch paradiesischer Tag? Ich heiße übrigens Kore.«
»Paradies? Himmel? Sind wir da gelandet?«
»Aber nein, meine Liebe. Wir sind in dem süßen Garten über den Welten, wo die Blumen ewig blühen und …«
»Schon recht. Wir suchen den Weg in die Welt der Sterblichen. Kannst du uns da weiterhelfen?«
»In die Welt der Sterblichen? Zu diesen rauen, ungeistigen Geschöpfen? Da habt ihr euch aber einen dornigen Weg ausgesucht. Nehmt an der nächsten Kreuzung den Pfad, der talwärts führt. Dann könnt ihr es überhaupt nicht verfehlen.«
»Vielen Dank«, sagte die Göttin und wollte sich auf die Beine machen, aber das Mädchen hielt sie am Arm fest.
»Hier, nimm das von mir mit«, sagte sie und nahm ihren Blütenkranz vom goldlockigen Haupt.
»Ach, behalt ihn nur, mir steht so etwas nicht«, wehrte die Göttin ab und versuchte, wieder auf den Weg zu kommen. Sie hatte es nämlich plötzlich sehr eilig. Aber noch einmal wurde sie daran gehindert, denn nun stellte sich Kore ihr in den Weg, zog aus der Tasche ihres Gewandes einen leuchtendroten Granatapfel, und als sie ihn überreichte, verwandelte sie sich plötzlich in eine scharfgesichtige alte Frau mit strähnigen grauen Haaren.
»Dann nimm den Granatapfel der Leidenschaft, meine Liebe«, sagte sie mit einem heiseren Lachen. »Mag sein, dass er dir besser steht als der Blütenkranz der Romantik.«
Dann trat sie aus dem Weg, und die Göttin eilte mit schnellen Schritten von ihr fort, Galla schnaufte empört hinter ihr her.
KAPITEL 50
Zeugnis und Prüfung
Die Münze unter meinem Kopfkissen schien diesmal keinerlei Sendefunktion zu haben, ich schlief die Nacht durch, ohne mich an irgendwelche Träume erinnern zu können. Aber ich setzte mich dennoch am Freitagvormittag hin und schrieb alles, woran ich mich erinnern konnte, auf und versuchte, auch noch so unwichtige Details genau zu beschreiben. Es war eine interessante Übung, wie ich feststellen konnte, denn je mehr ich mich in die Szenerie vertiefte, desto deutlicher kamen die Einzelheiten hervor. Gegen zehn schlug ich die Kladde zu, die ich mir aus Patricks Heftevorrat entliehen hatte, und machte mich auf den Weg, die fälligen Einkäufe zu erledigen. An diesem Abend stand eine kleine Familienfeier an, die der besonderen Aufmerksamkeit bedurfte. Es war nämlich Patricks letzter Schultag vor den Sommerferien, und er würde heute mit seinem Zeugnis nach Hause kommen. Ich hatte überhaupt keine Befürchtungen, dass es nicht dem entsprechen würde, was ich erwartete. In der Bank ließ ich mir ein paar besonders neue Geldscheine geben, die für sein Sparschwein bestimmt waren, und als ich mich umdrehte, stieß ich beinahe mit Isabell zusammen, die damit beschäftigt war, ihre Kontoauszüge in ihre Handtasche zu stecken, und dabei nicht hochsah.
»Holla, wieder beim Geldscheffeln?«, fragte ich sie und lachte fröhlich auf.
»Na, du musst reden! Grüß dich, Bap, pardon, Amanda. Du siehst gut aus!«
»Danke. Du auch. Trotz – oder wegen?«
Sie grinste wissend und schüttelte den Kopf. »Wo gehst du hin?«
»Zum Parkhaus.«
»Ich geh ein Stück mit.«
Wir schlenderten nebeneinander her, und sie
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