Die Herrin des Labyrints
fragte: »Du hast mir das nicht übelgenommen?«
»Ulli? Nein. Im Grunde hast du mir nur eine Entscheidung abgenommen, die überfällig war.«
»Na, das kann ich inzwischen verstehen. Er war anfangs ganz süß, aber diese Form der Anhänglichkeit geht mir ziemlich schnell auf den Keks. Außerdem hatten wir eine kleine Meinungsverschiedenheit über die Nutzung von Privateigentum.«
Ich dachte an Ullis letzten Auftritt und konnte Isabell verstehen. »Was Wesentliches?«
»Vielleicht bin ich kleinlich, aber ich mag es nicht, wenn jemand stundenlang meinen Internetzugang benutzt, um sich schmutzige Seiten aufzurufen. Dass du es fast vier Jahre mit ihm ausgehalten hast … Aber du bist ja auch ein anderer Typ als ich. Geduldiger, ergebener, sozusagen.«
»Wenn du meinst. Ich nehme ihn jedenfalls nicht wieder zu mir zurück.«
Sie kicherte. »Ich hab ihn aber nicht beschädigt.«
»Trotzdem mag ich keine Secondhandware.«
»Okay. Hast jetzt wohl wieder ein paar andere Flämmchen entfacht, was?«
»Ich?«
»Man munkelt, dass sich Damon häufiger bei euch sehen lässt.«
»Man? Wer munkelt?«
»Ulli. Und er munkelte nicht gerade, er schäumte. Du musst ihm ziemlich – äh – deutlich zu verstehen gegeben haben, dass da kein Platz mehr für ihn ist.«
»Wieso hat Ulli dir das denn erzählt?«
»Weil er eine Bleibe suchte. Tja, vom Regen in die Traufe. Bei mir war irgendwie plötzlich der zweite Haustürschlüssel unauffindbar. Ich kann dir seine derzeitige Adresse leider nicht mitteilen.«
»Wir sind schon ziemlich schäbig, Isabell, weißt du das!«
»Finde ich nicht. Er ist ein erwachsener Mann, er verdient nicht schlecht. Er ist durchaus in der Lage, sich ein Apartment zu suchen und seine Socken selbst zu waschen. Wenn ich mit jedem Flirt gleich zusammenziehen wollte …«
»Könntest du ein Hotel aufmachen.«
»Was bist du für ein böses Weib geworden, Amanda. Woher willst du wissen, dass nicht auch ich ein einsames Herz in meiner Brust schlagen habe, das sich nur nach dem Einen verzehrt?«
»Nach wem?«
»Oh, ich würde da gerne versuchen, einen gewissen Eisblock aufzutauen.«
»Ich dachte, da hättest du dir schon mal Frostbeulen dran geholt.«
»Könnte doch sein, dass er dazugelernt hat? Mh?« Wir bewegten uns in einem Fahrwasser, das ein paar heimtückische Strudel hatte, und ich verhielt mich ausnehmend zurückhaltend. Kurzum, ich reagierte überhaupt nicht auf diese Frage.
»Oh, was für eine hübsche Gesichtsfarbe, meine liebe Amanda.« Aber mein Körper reagierte. Mistkram. Ich blieb stehen und stellte mich vor Isabell. Sie war ein klein bisschen größer als ich, aber ich merkte, wie ich innerlich wuchs, sich meine Schultern strafften und sich mein Busen hob.
»Liebste Isabell, du hast so einen wundervollen Teint.«
»In der Tat?«
»O ja. So zart und jugendlich. Du möchtest doch keine entstellenden Narben im Gesicht davontragen?«
»So ist das also!«
»Genau so ist das. Es ist mein voller Ernst, Isabell. Lass deine Krallen von Damon!«
Sie nickte und lächelte mich plötzlich ungeheuer warmherzig an.
»Nix mit geduldig und ergeben, ich hab’s verstanden. Nun hör auf, dich so aufzuplustern, Bap. Du bist wohl überhaupt die Einzige, die seinen Panzer aufbrechen kann. Ich wünsche dir viel Erfolg. Wahrscheinlich ist es ziemlich lohnenswert, sonst würdest du nach zwölf Jahren nicht noch so rote Öhrchen bekommen, wenn man dich mit ihm aufzieht.«
Ich zuckte mit den Schultern. Sie hatte schon immer eine gute Beobachtungsgabe gehabt.
»Und er ist definitiv kein Vergleich zu Ulli.«
Wie wahr!
»Isabell, mein Sohn kommt heute mit seinem Zeugnis aus der Schule. Ich sollte zu seinem Empfang zu Hause sein.«
»Ein heikler Termin? Erwartest du Überraschungen, oder weißt du, wie es ausfällt?«
»Patrick ist Damons Sohn«, sagte ich erstmals mit einem gewissen Stolz.
»Ah, na, dann kümmere dich um das Nachwuchsgenie. Man sieht sich!«
Ich traf wenige Minuten vor dem besagten Genie ein und hatte gerade noch Zeit, meine Einkäufe zu verstauen. Natürlich lieferte Patrick Henry und mir eine absolut coole Show, mit der er »den Lappen« präsentierte. Es war ein blendendes Zeugnis, nur Geschichte und Religion ließen ein klein wenig zu wünschen übrig, aber da ich beide Lehrer kannte, wunderte ich mich nur darüber, dass Patrick seinen Missmut über deren pädagogische Leistungen nicht deutlicher zum Ausdruck gebracht und jegliche Zusammenarbeit verweigert hatte.
Henry, der
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