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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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statt, Henry kommt freitags, und ich muss vermutlich Halima zur Hand gehen, sie hat gesundheitliche Probleme.«
    »Ich komm schon alleine zurecht, um mich brauchst du dich nicht zu kümmern.«
    »Ich würde es aber gerne«, sagte ich und strich ihm über die Hand. Sie war rau und ein wenig aufgeschunden. Auch andere, schon fast verheilte Kratzer und Schrammen hatte ich an ihm entdeckt. Aber nichts, was von Bedeutung war.
    Es war erst spät in der Nacht, wir beide waren relativ früh zu Bett gegangen, und ich war schon einmal eingeschlafen – ganz ohne Titi, denn diese unsägliche Katze war natürlich sofort zu Patrick ins Bett gehüpft. Aber irgendwann gegen ein Uhr wurde ich wach, richtig hellwach. Leise stand ich auf und schlich im Dunkeln ins Wohnzimmer, um mir das Buch zu holen, das ich angefangen hatte zu lesen. Als ich an Patricks offener Zimmertür vorbeikam, konnte ich dem Drang nicht widerstehen, noch einmal bei ihm hereinzuschauen.
    »Hallo, Amanda. Bist du auch noch wach?«
    »Nein, aufgewacht.«
    Ich ging zu ihm, setzte mich auf die Bettkante und betrachtete sein Gesicht in dem schwachen Licht, das vom Fenster her einfiel. In dieser Beleuchtung war es kein Jungengesicht mehr, die Schatten malten reife Züge darein, nicht ganz die von Damon, sondern auch ein paar neue, vielleicht solche, die auch von mir stammten. Aber vor allem war es ein Gesicht, in dem sich eine tiefe Qual abzeichnete.
    »Patrick?«
    Seine Augen waren schwarz, voller Schmerz, als er mich ansah. Ich merkte, wie er mit sich rang. Er wollte mir etwas sagen, aber es fiel ihm – aus welchem Grund auch immer – ungeheuer schwer.
    Ich stand auf, schloss die Tür und kehrte wieder zu ihm zurück. Vielleicht half diese Geste des abgeschlossenen Raumes ihm, sich zu überwinden, über das zu sprechen, was ihn so stark bedrückte.
    Es brauchte noch eine Weile, aber dann drehte er sich zu mir um.
    »Baba, ach, Baba …«
    »Schon gut, Patrick. Man kann es nicht von heute auf morgen umstellen. Erwachsenwerden braucht seine Zeit. Und es gibt immerund in jeder Phase des Lebens Situationen, in denen man zu einer Mutter sprechen sollte.«
    Ich hörte so etwas wie ein erleichtertes Seufzen und legte meine Hand auf die Decke über seiner Schulter.
    »Ich weiß nicht, ob ich es dir überhaupt sagen darf. Es ist etwas sehr Persönliches …«
    »Etwas, das dir dein Vater anvertraut hat?«
    »Ja, Baba. Etwas … das ich wissen sollte. Aber …« Mich packte auch wieder das Grauen, das ich gefühlt hatte, als Waltraud Seebruk von Damons Jugenderfahrungen gesprochen hatte, und ich konnte mir denken, was jetzt kam.
    »Patrick, hör mir zu. Ich habe letzte Woche ebenfalls etwas über ihn erfahren, das mich tief erschüttert hat. Ich vermute, ich weiß, was es ist.«
    »Über seinen Bruder?«
    »Ja, über diesen Jungen, nach dem er dich benannt hat.«
    »Er hat es mir am letzten Abend erzählt. Es … es war auch schwer für ihn.«
    Patrick schluchzte auf, und ich strich ihm sacht durch die Haare. Warum hatte Damon ihn nur damit belastet?
    »Baba, ach, Baba, warum gibt es solche Menschen?«
    »Wie Damons Vater?«
    »Ja. Stell dir vor, er hat Damon festgebunden und ihn zuschauen lassen, wenn er das mit dem Bruder gemacht hat. Er konnte sich nicht wehren, er konnte es auch niemandem erzählen. Seine Mutter hat ihm nicht geglaubt. Sie hat immer gesagt, er bilde sich das ein. Wer glaubt so was schon! Und dann ist dieser Junge vor seinen Augen die Brücke hinuntergesprungen, weil er es nicht mehr ausgehalten hat.«
    »Ich verstehe, Patrick. Du siehst jetzt diese Bilder vor dir. Sie lassen sich nicht so einfach wegwischen. Damon hat dir viel anvertraut, und ich weiß nicht so recht, warum. Sicher nicht, damit du diese Last alleine trägst.«
    »Meinst du?«
    »Ich habe mit Damon in der Vergangenheit kein gutes Verhältnis gehabt, Patrick, aber eines ist mit inzwischen klargeworden –er würde dir nie ohne Grund Schmerzen zufügen. Wenn er es also getan hat, dann hat das einen Grund.«
    »Vielleicht wollte er, dass ich es dir erzähle?«
    »Zum Beispiel. Oder dass du weißt, wenn jemand so etwas mit dir macht, dass du darüber sprechen musst! Mit ihm oder mit mir.« Mir kam ein schrecklicher Verdacht. »Patrick, ist dir das schon mal passiert?«
    Ein langes Schweigen herrschte zwischen uns, und meine Befürchtungen verdichteten sich. Schließlich räusperte sich Patrick und sagte: »Der dämliche Ulli hat mal so was versucht. Er … ach, deswegen wollte ich nicht,

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