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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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dass er dich betatscht, wenn du das nicht magst. Deshalb bin ich so ausgerastet. Es ist aber nichts passiert. Er kam nur mal abends zu mir rein und fing an, mich so komisch zu streicheln. Ich fand das nicht so toll und hab ihn getreten – ähm – ja. Danach hat er die Finger von mir gelassen.«
    »Ulli?«
    »Der Sockenweichspüler.«
    »Warum hast du mir nichts gesagt, als er es versucht hat?«
    »Ich dachte, das wär nicht so wichtig. Oder so.«
    »Und ich würde dir sowieso nicht glauben. Aber ich glaube dir. Es wird auch noch Konsequenzen haben. Hast du es Damon erzählt?«
    »Nein, Baba. Denn dann würde Ulli wahrscheinlich die nächste Woche nicht überleben. Baba, mein Vater ist ein seltsamer Typ, weißt du das? Er kann unheimlich cool sein und so tun, als ob er völlig unbeeindruckbar ist. Aber ich glaube, wenn er mal wütend wird, dann tanzt der Bär.«
    »Das hast du sehr klar und präzise beobachtet. Du bist schneller dahintergekommen als ich.«
    »Eigentlich komisch, Baba, denn du magst ihn doch.«
    »Ja, eigentlich komisch. Aber, Patrick, er hat mir immer nur seine Gletscherseite gezeigt.« Bis auf zwei Mal, in denen der darunter liegende Vulkan ausgebrochen war, aber ein bisschen Privatleben hatte ich ja nun doch.
    »Glaub ich zwar nicht, aber ist schon gut.«
    »Du bist ein grässlicher Sohn.«
    »Ich weiß. Danke, dass ich mit dir reden konnte. Mir geht es jetzt besser.«
    »Dann ist gut. Was ist das da eigentlich, was du um deinen Hals trägst, oder darf man das nicht fragen?«
    Patrick zog die Decke ein Stück nach unten, und ich sah auf seiner jungen gebräunten Brust ein paar verschorfte Kratzer, darauf lag, an einem dünnen Lederband aufgefädelt, ein gekrümmter, bleicher, spitzer Zahn.
    »Ein Luchszahn. Ich habe ihn gefunden.« Ich sog erstaunt die Luft ein, und Patrick beruhigte mich: »Keine Panik, nicht am lebenden Luchs!«
    »Ich hatte keine Panik. Ich hatte nur in einer Nacht ein paar komische Gedanken. Die hingen mit einem Luchs zusammen.«
    »Oh. Interessant. Ich auch.«
    »Ja, nun, Damon wird dir dazu sicher etwas mehr erzählen können.«
    »Hat er auch. Aber du trägst auch etwas um den Hals, was du früher nicht hattest.«
    Ich zog das schwarze Wildlederbeutelchen aus meinem Ausschnitt hervor.
    »Halima hat mir gesagt, ich solle die Münze immer bei mir tragen. Sie scheint so etwas Ähnliches zu bedeuten wie dieser Luchszahn.«
    »Wir sind schon eine eigenartige Gesellschaft, was, Amanda?«
    »Du sagst es!«
    Dann gähnte Patrick ausgiebig und kuschelte sich unter seine Decke.
    »Schlaf gut, mein Sohn.«
    »Du auch, Mutter.«

KAPITEL 60

    Gala mit Hindernissen
    Wir erwähnten anschließend nie wieder dieses Gespräch, aber wir wussten nun um etwas, das uns sehr wichtig war, und damit hatten wir beide eine neue Ebene des Verständnisses füreinander gefunden.
    Halima fühlte sich in der folgenden Woche mal besser, mal schlechter, aber sie weigerte sich beharrlich, einen Arzt aufzusuchen. Ich ging zwar noch jeden Tag ins Studio, um für mich zu tanzen und zu üben, aber sie sah nur selten vorbei. Dafür gab sie mir den Auftrag, in kleinen Kreisen aufzutreten, einmal anlässlich eines Kindergeburtstages in einer türkischen Familie, was sehr lustig war, und einmal in einem kleinen marokkanischen Restaurant, was sehr lehrreich war. Es war auch sehr einträglich! Ich war gewarnt worden, es könne passieren, dass mir das Trinkgeld in das Kostüm gesteckt werden würde, und so zuckte ich also nicht empört zurück, als mir von den Kindern Scheine unter die BH-Träger geschoben wurden. Im Lokal musste ich einem Herren, der keiner war, recht bestimmt auf die Finger klopfen, als er etwas Ähnliches versuchte, sich dafür aber den Gürtel aussuchte. Immerhin hatten diese Veranstaltungen den Vorteil, dass ich jetzt eine gewisse Sicherheit im Auftreten hatte und dem Samstag mit größerer Gelassenheit entgegensah. Dort, auf der Bühne, würde es natürlich anders sein. Ich tanzte in der Gruppe ein Folklorestück mit, einmal in einem gemeinsamen Beledi ein kleines Solo, aber ansonsten war ich nicht gefordert. Die wirklichen Einzeltänze würden Halima und zwei weitere Gäste aus der Profi-Tanzszene bestreiten, die ebenfalls mit ihren Gruppen vertreten waren.
    Henry kam wie versprochen am Freitag, und Damon war einmal kurz vorbeigekommen, um sich mit Patrick zu treffen. Ich sah ihn erst am Samstagabend wieder, als er mit Henry und Patrick im Foyer des kleinen Theaters auf den Beginn der

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