Die Herrin des Labyrints
durchaus kultiviert.«
»Isabell, ich habe einen Sohn!«
»Aua. Entschuldige, ich vergaß.«
»Ich habe nachzudenken, Isabell. Weißt du zufällig, wo Ulli jetzt wohnt?«
»Nein. Aber versuch’s mal bei der Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe. Er liebt doch Unterbringung mit Service.«
»Die hat gestern erst eine neue Wohnung bezogen. Aber die Idee ist nicht schlecht. Ich werde mich mal auf die Socken machen. Danke für den Kaffee und die Informationen.«
»Keine Ursache. Und übrigens – der Termin mit Damon war wirklich ein geschäftlicher und sollte am späten Nachmittag stattfinden. Er wollte aber früher nach Hause. Warum auch immer.«
Eine Welle von Zuneigung überkam mich, und ich machte etwas, was zwischen Isabell und mir bisher noch nie üblich gewesen war. Ich legte ihr den Arm um die Schulter und gab ihr einen zarten Kuss auf die Wange.
»Doch da nicht für!«, kicherte sie, erwiderte das Küsschen und verschwand unter dem Tisch. Sie wühlte in ihrer Tasche herum und drückte mir dann ihre Visitenkarte in die Hand. »Ich glaube, du hast meine neue Handynummer noch nicht. Ruf mich an, wenn du Hilfe brauchst.«
»Danke, Isabell.«
Als ich zu Hause ankam, fand ich unter den Möhren und dem Salat die Honigmelone in meinem Einkaufskorb.
KAPITEL 67
Hausbesichtigung und Visionen
Von meinem Sohn fand ich Krümelspuren in der Küche, er hatte sich vor seinem Aufbruch Brötchen gemacht. Titi hatte die Nase in einen frisch aufgefüllten Futternapf gesteckt und hatte Wichtigeres zu tun, als mich zu begrüßen. Patrick musste gerade erst das Haus verlassen haben, und ich wusste, dass er am Abend eine kohlehydratreiche Menüfolge erwartete. Ich erinnerte mich, dass er gegen zwei zu Timo gehen wollte, dessen Vater sich für den Transport zur Sporthalle bereit erklärt hatte, in der das Tischtennis-Freundschaftsturnier stattfinden sollte. Im Briefkasten lag ein Umschlag mit einem Schlüsselbund und einem kurzen Gruß von Nandi. Ich machte mir auch noch ein Brot und gönnte mir einen Schnitz Melone, dann brach ich zu Gitas Haus auf.
Der Garten war zwar vorbildlich gepflegt, ein Gärtner sorgteregelmäßig dafür, aber in den Räumen herrschte die Stille eines unbelebten und verlassenen Heimes. Hier war nichts mehr von Gita zu spüren, ganz anders als in dem Labyrinth, wo ich sie beinahe leibhaftig neben mir erlebt hatte. Nur ihr gepflegter Geschmack in der Einrichtung zeugte noch von ihrem Leben. Die unteren Räume, die Nandi und Nicole nicht bewohnt hatten, waren abgeschlossen, die Fenster waren zugezogen, die Möbel mit einer feinen Staubschicht versehen. Natürlich konnte ich nicht beurteilen, ob hier Gegenstände abhandengekommen oder Veränderungen vorgenommen worden waren. Dafür kannte ich das Haus nicht gut genug. Aber es wirkte alles sehr unberührt. In der oberen Etage war es anders. Hier sah man, dass vor kurzem noch jemand gewohnt hatte. Ein ungeleerter Papierkorb, ein Hauch von Essensgeruch in der kleinen Apartment-Küche, eine alte Zeitschrift auf dem Tisch. Es war eine hübsche Wohnung, und Nicole musste es geschmerzt haben, hier auszuziehen. Aus dem Schlafzimmer führte ein Flügelfenster auf den Balkon hinaus und gab den Blick auf die alten Bäume des Gartens frei. Das Wohnzimmer war ebenfalls hell und luftig durch die bodentiefen Fenster und hatte einen zierlichen offenen Marmorkamin. So ganz nebenbei streifte mich die Idee, wie schön es wäre, hier zu leben. Mein Häuschen war klein und praktisch, aber es hatte den trübsinnigen Charme der fünfziger Jahre, und selbst größere Umbauarbeiten würden daran nichts ändern können.
Ich kletterte zu den Mansarden hoch und fand eine Reihe weitgehend leerstehender Zimmer. In einigen aber waren alte Möbel untergebracht, sorgfältig in Leinendecken gehüllt, die vermutlich jeden Antiquitätenhändler zum Jubeln gebracht hätten. Wenn man die Mauern zwischen den einzelnen kleinen Räumen durchbrach, würde die Dachetage ein wundervolles Studio ergeben. Zum Beispiel, um darin zu tanzen … Träume, dachte ich. Träume.
Auch hier konnte man aus den Fenstern die Bäume sehen, und ich befand mich Auge in Auge mit einem roten Eichhörnchen, das in dem Wipfel einer Buche herumturnte. Ich träumte weiter. In dem oberen Schlafzimmer, das zum Garten hinausging, könnte man mit offenem Fenster schlafen. Damon könnte die Bibliothekunten zu seinem Arbeitszimmer machen, Patrick hätte einen abgeschlossenen Bereich mit zwei kleinen Zimmern und einem Bad.
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