Die Herrin Thu
mit einem Fußboden aus gestampftem Lehm und nackten Wänden. Eine dünne Matratze lag auf einer niedrigen, hölzernen, bemerkenswert gut getischlerten Liege mit glatten Beinen und stämmigem Rahmen, die in der vergleichsweise armseligen Umgebung kostbar wirkte. Der Tisch daneben und der Schemel am Fuß der Liege waren zwar einfach, aber eindeutig die Arbeit eines Fachmannes. Auf dem Boden stand eine grob gefertigte Tonlampe. Die Hütte war leer, und ich konnte nicht warten. Kurz überlegte ich, ob ich den Kasten unter die Liege schieben und fliehen sollte, verwarf den Gedanken jedoch als meiner nicht würdig, wenn auch nicht ohne einen weiteren Fluch. Ich ließ die Binsenmatte fallen und lief zurück zum Fluß.
Als ich die Laufplanke hoch und auf das Deck meines Bootes rannte, Ausrüstung und Decke unter einem Arm, den elenden Kasten unter dem anderen, da lachte mein Herold schallend.
„Also hat sie endlich einen Dummen gefunden!“ höhnte er. „Willst du das über Bord werfen, junger Kamen, oder gewinnen deine Prinzipien überhand? Wie hat sie dich herumbekommen, daß du ihn mitnimmst? Mit einem schnellen Sprung auf ihre zweifellos flohverseuchte Matte? Damit handelst du dir viel Ärger ein, das kannst du mir glauben!“ Ich antwortete nicht. Ja, nicht einmal einen Blick gönnte ich ihm, und als er laut den Befehl zum Einholen der Laufplanke und zum Ablegen gab und das Boot vom Ufer fort und in den strahlenden Morgen glitt, da merkte ich, daß ich ihn überhaupt nicht mochte. Mein Soldat hatte mir Brot und Bier aufgehoben. Ich setzte mich in den Schatten des Buges und aß und trank ohne Appetit, während Aswat und seine schützende Vegetation hinter uns entschwanden und die Wüste sich zwischen den paar Feldern und den vereinzelten Palmen breit machte. Das nächste Dorf war natürlich nicht weit entfernt, doch als ich mir die Krümel vom Knie wischte und den letzten Schluck Bier trank, überfiel mich eine lastende Einsamkeit, und ich wünschte mir sehnlichst, mein Auftrag wäre zu Ende.
Zweites Kapitel
Die verbliebenen acht Tage verliefen ohne Zwischenfälle, und am Morgen des neunten Tages erreichten wir das Delta, wo sich der Nil in drei mächtige Nebenarme teilt. Wir schlugen den nordöstlichen Arm ein, die Wasser Res, später die Wasser von Avaris genannt, der sich mitten durch die größte Stadt auf der ganzen Welt zieht. Aufatmend ließ ich die stille Trockenheit des Südens hinter mir und atmete wieder die Luft des Deltas, die feuchter war, nach Gärten duftete und tröstliche Laute menschlichen Lebens heranwehte. Der Fluß war zwar noch nicht angestiegen, doch überall in Teichen und beschaulichen Bewässerungskanälen stand Wasser, kräuselte sich kühl zwischen dicht stehenden Bäumen, blitzte zwischen hohen Papyrusdickichten, deren zarte Wedel sich in der lauen Brise wiegten. Im seichten Wasser stolzierten hochnäsige weiße Kraniche. Kleine Boote fuhren hin und her, und über ihnen flitzten und zwitscherten Vögel, während unser Steuermann den Blick unentwegt auf den Fluß gerichtet hielt und uns vorsichtig durch sie hindurchmanövrierte.
Bei den Wassern von Avaris veränderte sich die Landschaft, denn hier fuhren wir am Tempel von Bast, der Katzengöttin, vorbei, und bald darauf an den elenden Hütten und Katen der Armen, die sich um den riesigen Seth-Tempel drängten und die Luft zwischen dem Tempel und dem Schutt einer uralten Stadt mit Staub und Lärm und Dreck erfüllten. Doch gleich darauf veränderte sich die Landschaft schon wieder, denn wir hatten den breiten Kanal erreicht, der Pi-Ramses, die Stadt des Gottes, umgab. Wir nahmen die Abzweigung rechter Hand, glitten an einer scheinbar endlosen Abfolge von Lagerhäusern, Speichern, Lagern und Werkstätten vorbei, deren Anleger ins Wasser reichten wie gierige Finger, um Güter von allen Enden der zivilisierten Welt aufzunehmen, und in deren gähnende Eingänge einer nach dem anderen ein stetiger Strom von bepackten Arbeitern strömte, die den Reichtum Ägyptens auf dem Rücken trugen. Hinter ihnen erhaschte ich einen Blick auf die ausgedehnten FayenceFabriken. Ihr Oberaufseher war der Vater meiner Verlobten Takhuru, und bei dem Gedanken, daß ich sie nach so vielen Wochen wiedersehen würde, besserte sich meine Laune.
Hinter dem ganzen Tumult kamen die beschaulichen, eleganten Anwesen des niederen Adels, der Beamten, Kaufleute und fremdländischen Handelsherren. Hier war ich zu Hause. Hier würde ich von Bord gehen und ein paar Tage
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