Die Herrin Thu
ihren Fingernägeln hatte sich schwarzer Dreck angesammelt. Und wenn sie sich noch so oft geschworen hatte, Würde zu bewahren, wenn diese schwere Tür zufiel, es hatte nichts genutzt, sie war zusammengebrochen, denn sie hatte offensichtlich weder Schminke, Öle noch Henna verwendet.
„Hunro, wo ist deine Dienerin?“ fragte ich scharf. Sie zog sich etwas zurück, zitterte, ließ jedoch meine Hand nicht los.
„Ich habe sie nicht mehr um mich ertragen“, sagte sie, nein, flüsterte sie. „Ewig diese Fragen, Hunro, möchtest du dies anziehen, Hunro, möchtest du das anziehen, Hunro, mit welcher Farbe möchtest du die Augen geschminkt haben, so als ob ich auf ein Fest in den Palast ginge, statt. statt. Und sie hat mich beleidigt, hat mich nicht mit meinem Titel angeredet. Banemus hat mich gezwungen, mich zu waschen und anzuziehen. Das war dumm. Warum sollte ich mich waschen und anziehen, wenn ich doch sterben muß? Den habe ich auch weggeschickt.“ Beim Reden wurde sie zunehmend ruhiger, doch ich konnte sehen, daß es nur ein Aufschub war. In den verzweifelten Augen, die an meinem Gesicht hingen, lauerte der Wahnsinn.
„Du hast nach mir geschickt“, erinnerte ich sie. „Was willst du?“ Sie musterte den Soldaten hinter mir mit wachsamem Blick und kam noch näher.
„Ich schaffe es nicht, Thu“, murmelte sie. „Ich schaffe es einfach nicht. Nachts bekomme ich solche Angst, daß ich weine. Morgens denke ich, ich schaffe es und tue es auch. Schließlich geht mein Ka in den Himmel zu Osiris und sitzt unter der heiligen Sykomore, nicht wahr? Aber dann überlege ich, was ist, wenn es keinen Himmel gibt, keinen Baum, keinen wartenden Osiris? Was ist, wenn ich nur ausgelöscht werde? Und dann ist der Augenblick vorbei, in dem ich tapfer gewesen wäre, und ich sage mir, ich tue es am nächsten Tag. Doch ich habe nur noch zwei Tage übrig!“ Jetzt war das Gemurmel zur Wehklage geworden, sie ließ meine Hände los und riß an ihrem bereits zerzausten Haar. „Wenn ich es nicht tue, kommen sie mit Schwertern und hacken mir den Kopf ab.“
„Hör mir gut zu, Hunro“, sagte ich fest, obwohl ich bei dieser schrecklichen Auflösung innerlich zitterte. „Du bist dazu verurteilt worden, dir selbst das Leben zu nehmen. Du mußt dich der Tatsache stellen, daß du sterben wirst. Das kannst du mit Mut und Fassung tun, oder du läßt dich abschlachten wie ein Hund, aber es wäre besser, wenn du dich waschen und ankleiden ließest wie die Edelfrau, die du bist, und vor deinem Schutzgott Weihrauch für die bevorstehende Reise anzünden würdest. Es hat keinen Zweck, auf ein Wunder zu warten. Es gibt keine Rettung. Was da in dir kämpft, ist das Leben, etwas Starkes und Hirnloses.“
„Aber du bist gerettet worden!“ schrie sie. „Du hast ein Wunder erlebt, und du bist eine Mörderin, du hast Hentmira getötet und beinahe auch den Pharao! Ich habe ihm doch überhaupt nichts getan! Warum muß ich sterben? Du hättest sterben sollen!“
Man konnte nicht vernünftig mit ihr reden, nein, jedes weitere Wort trieb sie nur noch tiefer in den Wahnsinn, und außerdem hatte ich keine Lust, mich vor dieser verzweifelten Frau zu rechtfertigen. Das wäre grausam und selbstsüchtig gewesen. „Ja, ich hätte sterben sollen“, bestätigte ich. „Aber es ist anders gekommen. Es tut mir so leid, Hunro. Laß mich deine Dienerin holen, damit sie sich um dich kümmert, und laß mich nach deinem Bruder schicken.“
„Mir wird übel, wenn ich sehe, wie du Höhergestellte nachäffst“, höhnte sie. „Meine Dienerin holen. Nach meinem Bruder schicken. Gewählte Worte und eine gebildete Sprache lassen doch nie dein dickes Bauernblut vergessen!“ Ich drehte mich wortlos um und ging zur Tür. Mein Begleiter wollte sie aufmachen, doch da fing sie an zu kreischen: „Thu, verlaß mich nicht! Bitte! Bitte! Hilf mir!“
Ich wollte ihr nicht helfen. Ich wollte sie ihrer Feigheit und ihrem Dreck und ihren Wehklagen überlassen. Doch ich wußte, daß ich nichts davon je aus meinem Gedächtnis würde tilgen können, wenn ich durch diese Tür trat. Also ging ich zurück, ohrfeigte sie erst rechts, dann links, dann nahm ich sie in die Arme, und sie sank mir schluchzend an die Schulter. Ich bettete sie auf das Lager und hielt sie so lange, bis sie nicht mehr so verzweifelt weinte, dann fuhr ich ihr übers Haar. Schließlich setzte sie sich auf und blickte mich mit Augen voller Tränen an, die jedoch nicht länger wahnsinnig blickten. „Es ist so
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