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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Im Munde einer ehrgeizigen und skrupellosen Frau wie du klingen solche Worte etwas hohl. O nein, mißverstehe mich nicht.“ Er hielt die Hand hoch, denn mir lag eine rasche Entgegnung auf der Zunge. „Ich wollte dich nicht kränken. In deiner Jugend war dein Ehrgeiz wie ein reizender Wirbelsturm, gefährlich und unberechenbar und durch und durch selbstsüchtig. Wie hätten wir dich sonst wohl benutzen können? Aber jetzt ist er gezähmt, gereinigt und darauf ausgerichtet, Unrecht gutzumachen und die Ordnung wiederherzustellen, in deinem Leben und auch im Leben Ägyptens. Das war auch mein Ziel, und es ist ein gesunder Ehrgeiz, Thu. Aber noch immer Ehrgeiz. Wie unterscheiden wir uns dann? Hier sitzen wir, zwei Menschen, die von den Göttern ähnlich erschaffen wurden. Selbst unsere Motive sind die gleichen gewesen. Warum ist dann unser Schicksal so verschieden?“ Darauf hatte ich keine Antwort. Weil ich meine Bestürzung verbergen wollte, beugte ich mich vor, griff zu meinem Wein und trank bedächtig. Ich hatte das ungute Gefühl, er könnte recht haben. „Ich weiß es nicht“, fuhr er fort. „Vielleicht kommt es einfach daher, daß es den Göttern beliebt, einen Mut zu belohnen, den ich nicht besitze.“ Unsere Blicke trafen sich, und ich hätte ihm gern mein unversehens aufflackerndes Mitgefühl übermittelt, konnte aber nur sagen: „Paiis, diese Demut steht dir nicht. Ich glaube, ich ziehe den hochfahrenden und selbstbewußten Paiis vor.“ Er lachte, und der Augenblick von Nähe war vorbei.
    „Ich habe mich wirklich bemüht, dich zum Schweigen zu bringen“, sagte er. „Jetzt bin ich froh, daß ich es nicht geschafft habe, dich zu töten. Ich habe oft an dich gedacht, nachdem ich dich zum ersten Mal auf jenem Fest gesehen hatte, das Hui gab, damit wir übrigen uns ein Urteil bilden konnten, ob du das Zeug zur königlichen Nebenfrau hättest.“
    „Ich habe dich viel früher als an jenem Abend gesehen“, sagte ich traurig. „Da war ich noch nicht lange in Huis Haus. Ich habe immer in meinem Zimmer auf dem Fußboden gesessen und aus dem Fenster geschaut, wenn Disenk meine Lampe gelöscht und zu ihrer Matte vor meiner Tür gegangen war. Eines Abends ganz spät, nach einem von Huis Festen, habe ich zugesehen, wie seine Gäste gegangen sind. Du bist aus dem Haus gekommen und hast auf dem Hof gestanden. Eine betrunkene Prinzessin wollte dich gerade überreden, daß du sie nach Hause bringst, aber du hast dich geweigert. Du hast sie geküßt. Du warst in Rot gekleidet. Ich habe nicht gewußt, wer du warst, aber du bist so schön gewesen, Paiis, wie ein junger Gott, und hast im Schein der Fackeln gelacht! Und ich war so jung, so voller argloser, mädchenhafter Träume. Ich werde es nie vergessen.“
    Ich hatte nicht vorgehabt, ihm das zu erzählen. Dieses Andenken war unbefleckt von den Ereignissen, die noch im Schöße der Zukunft lagen, die es hätten beschmutzen und besudeln müssen und es dennoch nicht getan hatten, und es war mir teuer. Ich befürchtete schon eine nichtssagende, lüsterne Antwort, die dem Andenken seine Reinheit nehmen würde. Doch er wurde ganz still. Ich blickte unverwandt auf den Tisch vor mir, während sich zwischen uns Schweigen ausbreitete. Nach einer geraumen Weile bewegte er sich.
    „Verdammt“, sagte er rau. „Warum mußt du mich daran erinnern, daß auch ich einmal jung war, ein frischer, einfacher Knabe, dem das gewöhnlichste, kleinste Ereignis durch schlichte Unkenntnis und Unschuld Stoff für schwärmerische Träume war. Jenes Kind gibt es nicht mehr, es ist unter einer allmählich wachsenden Gier, Zwängen wie Gebot der Stunde, unangenehmen Entscheidungen und Erfahrungen des Soldatenlebens und den heimtückischen Verlockungen des Sich-gehen-lassens begraben worden. Ich will nicht, daß es jetzt aufersteht. Nicht jetzt! Es ist zu spät!“ Ich verhielt mich still, und nach einem inneren Kampf, den ich mehr spürte als sah, faßte er sich und wandte sich mir wieder zu. „Es tut mir so leid, Thu“, sagte er. „Es tut mir leid, daß ich dem Bild, das du dir von mir gemacht hast, nicht entsprochen habe, es tut mir leid, daß ich mitgeholfen habe, dich zu verderben. Ich glaube, allein das bedauere ich. Komm. Trink aus, dann verabschieden wir uns.“
    Erschüttert hob ich den Pokal an die Lippen. Paiis tat es mir nach, und auf einmal hatte ich das Gefühl, daß wir ein feierliches Ritual vollzogen. Es war, als ob seine Beichte sogar die Luft in diesem erbärmlichen Raum

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