Die Herrin Thu
schwer“, flüsterte sie, und ich nickte.
„Ich weiß. Aber, Hunro, es gibt doch Palastärzte und auch Banemus. Warum hast du die nicht um Hilfe gebeten?“
„Weil ich ihnen nicht traue“, antwortete sie erstickt. „Ich bin wegen Hochverrats und Gotteslästerung und Mordversuch am Pharao verurteilt worden. Sie könnten sich an mir rächen und mir ein Gift verabreichen, das langsam und schmerzhaft wirkt.“
„Unsinn! Und Banemus würde das niemals tun.“
„Aber Banemus weiß doch nicht, um was er bitten muß.“ Jetzt rang sie die Hände im Schoß. „Ich weiß, daß ich dich um sehr viel bitte“, sagte sie stockend. „Ich verdiene deine Güte nicht. Aber du bist heilkundig, Thu, und kennst dich gut mit Tränken aus. Bereitest du mir einen zu? Etwas, wovon ich ohne Schmerzen einschlafe und einfach... einfach nicht mehr aufwache.“
Begriff sie, welche Ungeheuerlichkeit sie von mir verlangte? Die furchtbare Ironie ihrer Bitte? Das war mehr, als ich überhaupt ertragen konnte. Für dich bin ich wirklich weniger als der Staub unter deinen Füßen, dachte ich betrübt. Nichts weiter als ein Werkzeug, ein Instrument, das man wieder und wieder zu dem gleichen schmutzigen Zweck benutzt. „Ich tue es, wenn du deine Dienerin und Banemus und einen Priester rufst und dich anständig zurechtmachst“, sagte ich ruhig. „Du stammst aus einer altehrwürdigen und edlen Familie. Mach deinen Ahnen keine Schande, indem du dich wegen deines Schicksals in Selbstmitleid ergehst.“ Ich stand auf, und sie mit mir, und jetzt funkelten ihre Augen fiebrig, und sie wollte mich wieder berühren, doch ich entzog mich ihr.
„Ja“, versprach sie. „Danke, Thu.“
„Bedanke dich nicht bei mir“, erwiderte ich, ohne sie anzublicken. „Jemandem den Tod bringen, das verdient keinen Dank, du Törin. Morgen Abend schicke ich dir einen Trank.“ Ich wußte nicht, ob sie mich gehört hatte oder nicht, und ging zu meinem Begleiter. „Ich möchte raus“, flüsterte ich. Doch Hunro mußte meine letzten Worte mitbekommen haben, denn sie rief mir nach: „Du bringst ihn selbst, Thu, nicht wahr?“
„Nein“, brachte ich so gerade noch heraus, während ich ins himmlische Sonnenlicht trat. „Das schaffe ich nun wirklich nicht. Lebe wohl, Hunro.“
Dumpf fiel die Tür hinter mir zu. Von der anderen Seite des Exerzierplatzes kam Isis mit dem Sonnenschirm in der Hand auf mich zu, und ich mußte mich zwingen, stehenzubleiben und auf sie zu warten. Ich wollte fliehen, wollte wie eine Wilde rennen, wollte vor Hunros rührender Bitte und meiner eigenen Schlechtigkeit flüchten, mich in meinen sicheren kleinen Raum einschließen und mich am erlesenen Wein des Pharaos betrinken.
Doch als ich schon fluchtbereit dastand, bewegte sich etwas in der Zelle nebenan, und eine vertraute Stimme sagte: „Ich habe Hunros Gekreisch gehört und gemeint, ich erkenne deine Stimme, Herrin Thu. Wie nett von dir, daß du die Verurteilten besuchst.“ Ich schloß die Augen. Nicht jetzt, dachte ich verzweifelt. Bitte, nicht jetzt! Isis hatte mich fast erreicht, und ich wandte mich rasch an sie.
„Du bist ein prächtiger Anblick“, sagte Paiis jetzt leise. „Schön und lebensvoll und zitternd vor Entrüstung. Zeige mir nicht die kalte Schulter, Thu. Du hast lange gebraucht, aber du hast gewonnen. Du hast mich besiegt. Können wir zu guter Letzt nicht ein paar freundliche Worte wechseln?“ Isis war da. Ich spürte den Schatten des Sonnenschirms über mir und blickte in Paiis’ Richtung. Er beobachtete mich durch die Gitterstäbe seiner Tür, und im hellen Sonnenschein funkelten die Ringe an seinen Händen. Als sich unsere Blicke trafen, schenkte er mir ein ausnehmend bezauberndes Lächeln.
„Das war kein Wettkampf“, sagte ich knapp. „Und kein Spiel. Es ging um mein Leben. Und um Kamens, das eines jungen Mannes, der dein Haus ehrlich und pflichtbewußt bewacht hat. Du bist skrupellos. Warum sollte ich mit dir freundliche Worte wechseln? Wo bist du gewesen, als man mich in der Zelle da sterben ließ?“
„Ich war daheim und habe mich betrunken und die Tatsache bedauert, daß ich nie mit dir geschlafen habe“, antwortete er sofort. „Das ist die Wahrheit. Du hast recht. Ich bin ein wertloses Stück Abfall, das man am besten wegwirft. Zweifellos werden nicht einmal die Götter mich haben wollen, aber bis sie sich entscheiden müssen, werde ich essen und trinken und meinen Musikanten holen lassen, daß er mir meine Lieblingsweisen spielt. Leistest du
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