Die Herrin Thu
hatte ein Ende, denn ich erinnerte mich an Kenna, Huis Leibdiener, den ich mit vergiftetem Bier und Alraune umgebracht hatte, und das nur aus Eifersucht und Angst. Er war unter fürchterlichem Gestank von Erbrochenem und Kot gestorben.
Aber was war mit Passionsblume? Ich blies, und die Flamme in der Lampe flackerte, so daß mein gekrümmter Schatten ganz kurz auf der Wand tanzte. Damit vernichtete man Hyänen, und bei dem ironischen Gedanken an seine Verwendung erwachte ich ganz aus der Starre, die ich mir auferlegt hatte. Auch wenn die Symptome mild waren und erst lähmten und dann zum Tode führten, nein. Diesen Anfall von Schadenfreude mußte ich mir um meines eigenen Seelenfriedens willen verbieten.
Meine Gedanken wanderten weiter. Hundspetersilie wirkte sehr gut. Man konnte sie schlucken, als Pulver einatmen oder in die Haut reiben. Doch wie viele andere giftige Substanzen erzeugte sie so furchtbare Krämpfe, daß das Opfer sein Leben angespannt wie eine Bogensehne beendete.
Ich legte die Wange auf den ausgestreckten Arm und blickte in das matt erleuchtete Zimmer, überlegte und verwarf ein Gift nach dem anderen, und mit zunehmender Angst verlor ich langsam die Beherrschung. Geflüster und Gewisper schienen durch die Ritzen zu sickern, kamen aus der Dunkelheit herangekrochen, in der meine Seele in Selbsthaß und Verzweiflung aufschrie, daß sich nichts, gar nichts änderte. Als ich merkte, daß mir der Laut bereits auf den Lippen lag, stand ich auf, zog mir Sandalen an, warf mir einen Umhang über und ging nach draußen.
Ich hoffte inständig, daß der Hüter der Tür noch in seinem Arbeitszimmer wäre. Rasch schritt ich an dem benachbarten Hof und dem Kinderflügel vorbei und trat durch die kleine Pforte am Ende des Wegs, der zu den überfüllten Zellen der Dienstboten führte. Der Abend war noch jung, und vor ihren Räumen herrschte lautes Leben und Treiben, dazu gesellten sich noch Kochdüfte von den nahegelegenen Küchen. Wer mich bemerkte, verbeugte sich unschlüssig und fragte sich zweifelsohne, was ich in seinem Reich zu suchen hatte, doch das übersah ich.
Ich bog rechts ab und stand nach ein paar Schritten vor einem anderen Tor, dieses jedoch bewacht, denn es führte zum Palastbezirk selbst. Dort bat ich einen der Soldaten, nachzusehen, ob der Hüter der Tür noch in seinem Arbeitszimmer wäre und mich anhören würde. Dann kehrte ich dem fröhlichen Trubel den Rücken und wartete. Unverzüglich kehrte der Mann zurück und winkte mich durch. Ich hatte Glück. Der Hüter arbeitete noch.
Die Arbeitszimmer der engsten Berater des Pharaos grenzten im rechten Winkel an die beiden Mauern, die den Palast von Dienerschaft und offiziellen Gästen trennten, so hatten sie nur einen kurzen Weg zum Arbeitszimmer des Königs und zum Bankettsaal. Hinter dem Tor ging ich geradeaus, bog links ab und ging weiter, bis ich zu einer offenen Tür kam, hinter der der Mann saß, in dessen Hände jeder Aspekt des Haremslebens gelegt war. Ich konnte ihn drinnen sehen, wie er Rollen in eine Truhe legte, und als ich auf der Schwelle zögerte, blickte er auf und sah mich. Er verneigte sich, schloß den Deckel der Truhe und sagte zu seinem Schreiber: „Die können jetzt ins Archiv.“ Und zu mir: „Tritt ein, Herrin Thu. Was kann ich für dich tun?“ Der Schreiber stemmte die Truhe hoch, schob sich an mir vorbei und machte dabei eine flüchtige Verbeugung. Ich sah kurz hinter ihm her, bis die zunehmende Dunkelheit ihn verschluckt hatte, dann drehte ich mich um und trat in das Arbeitszimmer.
Amunnacht hatte ein erwartungsvolles Lächeln aufgesetzt und stützte sich mit einer Hand auf den Schreibtisch, und auf einmal wußte ich nicht mehr, was ich sagen wollte. Er bemerkte mein Zögern und bedeutete mir, mich zu setzen, dann zeigte er auf den Weinkrug neben sich, doch ich schüttelte den Kopf. Ich schluckte und fand die Stimme wieder. „Amunnacht“, sagte ich, und meine Stimme klang mir hoch und schrill in den Ohren. „Hunro hat mich gebeten, ihr bei der Beendigung ihres Lebens zu helfen.“ Das Lächeln verging ihm, er blickte mich ernst an.
„Das war grausam von ihr“, meinte er. „Grausam und unnötig. Es tut mir leid, Thu. Eine solche Bitte muß dir große Not bereiten. Wenn ich gewußt hätte, wie feige sie ist, ich hätte ihr einen Palastarzt geschickt.“
„Sie ist außer sich vor Kummer und Entsetzen“, fuhr ich fort, denn ich fühlte mich aus unerfindlichen Gründen bemüßigt, sie zu verteidigen. „Sie
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