Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
in seinen Befehlen und unvoreingenommen im Urteil.
    Ich näherte mich vertrauensvoll, salutierte, als ich zum Schreibtisch trat, und nahm Habachtstellung ein, so gut es mit dem Kasten unter dem Arm ging. Er schenkte mir ein Lächeln. Vermutlich wollte er im Palast speisen, denn er war kostbar in rotes Leinen gekleidet, und das schwarze, grau durchsetzte Haar wurde von einem dunkelroten, mit winzigen Goldpfeilen verzierten Band zurückgehalten. Goldstaub glitzerte auf seiner geölten breiten Brust und über seinen dick mit Khol geschminkten Augen, und an seinen Handgelenken glänzte noch mehr Gold. Er war prächtig aufgeputzt wie eine Frau, vermittelte aber dennoch den Eindruck reiner männlicher Kraft. Ich wußte nicht, ob ich ihn mochte. So dachte man nicht über seinen Vorgesetzten. Aber gelegentlich hoffte ich, daß auch meine eigene Zukunft in seinem großen Wohlstand und seiner Stellung lag.
    „Nun, Kamen“, sagte er herzlich und bedeutete mir, bequem zu stehen. „Ich höre, daß du mich in einer persönlichen Angelegenheit sprechen willst. Hoffentlich ist es keine Bitte um einen anderen Posten. Ich weiß, daß ich dich irgendwann verliere, aber es wird mir leid tun. Du bist ein vielversprechender junger Offizier, und die Bewachung meines Hauses klappt gut unter deinem Befehl.“
    „Danke, General“, antwortete ich. „Ich stehe gern in deinen Diensten, obwohl ich tatsächlich auf einen weniger ruhigen Posten hoffe, ehe ich mich in einem Jahr verheirate. Danach bieten sich leider nicht mehr so viele Möglichkeiten zum Soldatenleben außerhalb von Pi-Ramses.“ Er blickte mich belustigt an.
    „Das ist gewißlich der Wunsch deiner zukünftigen Frau“, erwiderte er, „doch die Ehe wird deinen Ehrgeiz nur zügeln, wenn du es zuläßt. Du hast Pech, heutzutage gibt es nur wenige raue und gefährliche Posten zu besetzen, vermutlich kannst du noch lange von plötzlichen feindlichen Überfällen träumen.“ Seine Miene leugnete seine herablassenden Worte. Er lächelte noch immer freundlich. „Und was bedrückt dich?“
    Ich beugte mich vor, stellte den Kasten auf den Schreibtisch und machte mich innerlich auf eine Beichte gefaßt. „Ich habe etwas Dummes angestellt, General“, begann ich. „Hast du von der Irren von Aswat gehört?“
    „Aswat?“ sagte er und legte die Stirn in Falten. „Dieses Hundeloch im Süden? Wenn ich mich recht entsinne, hat Wepwawet am Ortsrand einen recht schönen Tempel, aber sonst hat das Dorf nichts zu bieten. Ja, ich habe von einer Frau gehört, die Leute belästigt, die unterwegs zu erquicklicheren Zielen sind. Was ist mit ihr? Und was ist das hier?“ Er hatte den Kasten zu sich herangezogen, doch dann hielt er inne und wurde ganz still, als sein Blick auf die vielen komplizierten Knoten fiel, mit denen er verschnürt war. „Woher hast du das?“ fragte er brüsk. Seine dichtberingten Finger fuhren beinahe unbeholfen über die Hanfstricke, dann zog er sie jäh zurück und setzte sich auf. Seine Worte hörten sich nach einer Anklage an, und ich erschrak.
    „General Paiis, ich bitte um Vergebung, falls ich falsch gehandelt habe“, sagte ich, „aber ich brauche deinen Rat. Die Frau hat ihn mir gegeben, nein, ich habe eingewilligt, ihn mitzunehmen. Sie behelligt nämlich alle Reisenden damit, daß sie diesen Kasten dem Pharao überbringen. Sie erzählt eine Geschichte von versuchtem Mord und Verbannung und behauptet, daß sie alles niedergeschrieben hat. Natürlich ist sie wahnsinnig, niemand hört auf sie, aber sie hat mir leid getan, und jetzt weiß ich nicht, was ich mit dem Inhalt des Kastens anfangen soll, was sich auch immer darin befinden mag.“ Ich zeigte auf den Kasten. „Es wäre unehrenhaft gewesen, ihn in den Nil zu werfen, und noch unehrenhafter, die Knoten zu durchtrennen und den Inhalt zu prüfen. Es ist mir nicht gestattet, mich dem Pharao zu nähern, selbst wenn ich es wollte, und ich will auch gar nicht!“ Jetzt huschte ein frostiges Lächeln über die Lippen des Generals. Er schien sich von seinem Schreck, wenn es denn einer gewesen war, zu erholen, doch er sah noch immer zusammengefallen aus, und zum ersten Mal bemerkte ich die winzigen roten Äderchen, die Zeichen der Müdigkeit, in seinen Augen.
    „Das überrascht mich nicht“, sagte er spöttisch. „Nur Wahnsinnige helfen Wahnsinnigen. Und zuweilen haben Ehrlichkeit und Wahnsinn viel miteinander gemein, ist es nicht so, du weltfremder junger Soldat?“ Schon wieder schwebte seine Hand über dem

Weitere Kostenlose Bücher