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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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während die Vögel einer nach dem anderen ihr Morgenlied zwitscherten und ein paar schlaftrunkene Diener auftauchten, um die Treppe zu fegen und das Flußboot zu säubern.
    Das Anwesen des Generals war unweit von unserem gelegen, tatsächlich war in Pi-Ramses nichts entlegen. Seine Tore öffneten sich gleich hinter Takhurus Haus. Ich warf einen Blick in ihren Garten, denn zuweilen wachte sie früh auf und trug Obst und Brot aufs Dach und winkte mir zu, wenn ich vorbeiging. Doch heute war nur ein Diener da, der einen Behang ausschüttelte, aus dem Staub hochwölkte, der sich schimmernd im neuen Licht des Tages verteilte.
    Als ich zum Anwesen des Generals kam, suchte ich den befehlshabenden Offizier auf und nahm dann den Rapport des Mannes entgegen, den ich ablöste. Während meiner Abwesenheit war kein Unheil geschehen. Ich versteckte den Kasten unter einem Busch beim Eingang, bezog zufrieden meinen Posten vor einem der Pfeiler und sah zu, wie sich der üppige Garten mit Leben und Wärme füllte. In dieser Woche bewachte ich den General. In der nächsten Woche mußte ich zum Waffendrill in die Kaserne. Es wurde gemunkelt, daß meine Kompanie vielleicht zur Feldübung in die westliche Wüste befohlen würde. Bis zum Abend hatte ich dann auch das bohrende Problem mit dem Kasten gelöst. Ich war ein glücklicher Mensch.
    Meine Wache verlief ereignislos. Zwei Stunden nach Sonnenaufgang traf eine Sänfte ein und trug eine blasse und gähnende Frau fort, die zögernd in Begleitung des Haushofmeisters und einer aufmerksamen Dienerin aus dem Haus trat. Letztere entfaltete sofort einen Sonnenschirm und hielt ihn über den zerzausten Kopf ihrer Herrin, als diese auf ihre Sänfte zuging, und dabei brannte die Sonne noch gar nicht mit voller Kraft herab. Die Frau kletterte hinein, und ich erhaschte einen Blick auf eine straffe Wade, dann schloß die Dienerin hastig die Vorhänge, um die Sonne fernzuhalten oder die paar Augen, die die Szene mitbekamen, wer weiß. Und es war mir auch einerlei. Die Sänfte wurde hochgehoben, die Dienerin ging neben ihrer unsichtbaren Herrin her, so verschwanden sie in Richtung Fluß.
    Kurze Zeit später herrschte dann geschäftiges Treiben im Haus; andere Generäle, Hauptleute von niedrigerem Rang, Paiis’ Haushaltsdiener, ein gelegentlicher Bittsteller, Herolde und unwichtige Boten stellten sich ein, und ich musterte sie alle, rief Unbekannte an, grüßte Bekannte, bis es Zeit für das Mittagsmahl war. Einer der Männer unter meinem Kommando löste mich ab, während ich in die Küche hinter dem Haus ging und mir Brot, kalte Ente und Bier holte, was ich im Schatten eines abgelegenen Winkels im Garten verzehrte. Danach kehrte ich zu meinen Pflichten zurück.
    Am Spätnachmittag erstattete ich meiner Ablösung Rapport, holte den Kasten, betrat das Haus und fragte den Haushofmeister, ob ich den General in einer persönlichen Angelegenheit sprechen könne. Ich hatte Glück. Der General war noch in seinem Arbeitszimmer, obwohl er demnächst zum Palast aufbrechen wollte. Als Mitglied seines Haushalts kannte ich die Anlage des Anwesens genau und brauchte keine Begleitung zu der recht furchteinflößenden Flügeltür, die zu seinen Privaträumen führte. Nachdem ich angeklopft hatte, wurde ich knapp hineingebeten und gehorchte. Der Raum war mir nicht fremd. Er war groß und recht gefällig und enthielt einen Schreibtisch, zwei Stühle, zahlreiche messingbeschlagene Truhen, ein prunkvolles Kohlebecken und einen Schrein für Montu, vor dessen Abbild ein Weihrauchgefäß wölkte. Weil die wenigen Fenster hoch unter der Decke angebracht waren, war das Licht immer diffus, ein Vorteil, so dachte ich insgeheim, für einen Mann, der seine Tagesarbeit oft mit geröteten Augen und einem Brummschädel begann. Denn Paiis war ein Sinnenmensch, kein Feldoffizier, sondern eher ein Stratege und Militärtaktiker. Ich fragte mich oft, wie er es geschafft hatte, die Jahre der rigorosen körperlichen Ertüchtigung, gefolgt von der vorgeschriebenen Dienstzeit als einfacher Soldat, zu überstehen, ehe er dann befördert wurde. Nicht etwa, daß er verweichlicht gewesen wäre. Ich wußte, daß er viel Zeit beim Schwimmen, Ringen und Bogenschießen zubrachte, aber ich argwöhnte, daß er damit seine eigenen Ziele verfolgte - erlesenen Wein und geschlechtliche Freuden -, denn man konnte ihm seine Exzesse auf beiden Gebieten trotz seiner Disziplin ansehen. Er war zwar schön und eitel, aber dennoch ein guter Vorgesetzter, sachlich

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