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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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beugten sich vor und wollten die Laufplanke einziehen, nachdem ich an Bord gegangen war. Ich zögerte. Noch war es nicht zu spät, es mir anders zu überlegen. Ein plötzliches Magengrimmen, ein jäher Fieberanfall. Ich könnte einen meiner Untergebenen mitschicken, der nur zu froh sein würde, der Langeweile des Wacheschiebens vor der Tür des Generals für zwei Wochen auf dem Fluß zu entrinnen. Aber was dann? Eine unbeholfene Entschuldigung bei Paiis? Eine Schriftrolle an meinen Ausbilder wäre die Folge - „Auf Kamen ist kein Verlaß, er tut seine Pflicht nicht, ohne zu fragen, darum habe ich ihn aus meinen Diensten entlassen. Er sollte zum einfachen Soldaten degradiert werden, bis er...“ Die Sonne brannte schon heiß auf meinen Schultern, und ich spürte, wie mir der Schweiß ausbrach. Daran konnte nur die zunehmende Tageshitze schuld sein. Ich gab mir einen merklichen Ruck, lief die Laufplanke hoch, winkte dem Diener zu, daß er die vertäuten Seile loslassen konnte, und rief dem Steuermann zu: „Ablegen!“
    An der Rückwand der zugezogenen Kabine war ein Sonnensegel angebracht worden, und in seinem Schatten machte ich es mir gemütlich, während sich unser Boot von der Bootstreppe des Generals löste und sich die Ruderer bereitmachten, in den Kanal einzubiegen, der uns durch die Wasser von Avaris und von dort auf dem hochgehenden Nil nach Süden führen würde. Irgend etwas veranlaßte mich, an die Kabinenwand zu klopfen. „Möchtest du nicht herauskommen und die Flußbrise genießen“, rief ich, aber keine Antwort. Na schön, dachte ich und bedeutete dem Helfer des Kochs, mir Wasser zu bringen, wenn du lieber in der dunklen Höhle schwitzen willst, mir soll es recht sein. Ich wandte meine Aufmerksamkeit dem sich bei zunehmender Entfernung langsam entfaltenden Panorama der Stadt zu und ließ mir die kühle Flüssigkeit durch die Kehle rinnen.

 
Fünftes Kapitel
    Zu jeder anderen Jahreszeit hätte die Reise nach Aswat ungefähr acht Tage gedauert, doch die Überschwemmung hatte ihren Höchststand erreicht, und zudem hielten uns die Beschränkungen auf, die General Paiis befohlen hatte. Das Delta und die Abfolge von dichtbesiedelten, großen Städten machte schon bald Kleinstädten und dann langen Strecken mit verlassenen, in den trägen Fluten versunkenen Feldern Platz, die einen ebenso friedlichen, blauen Himmel spiegelten. Zuweilen waren wir gezwungen, früh anzulegen, weil die kommende Strecke wenig Abgeschiedenheit bot und ich ermahnt worden war, nicht in Sicht eines Dorfes oder Gehöfts anzulegen. Manchmal war der Uferbewuchs üppig und dicht, doch der Fluß strömte rasch, ohne daß uns eine kleine Bucht Schutz geboten hätte. Für die Ruderer war es ein hartes Stück Arbeit, gegen die nach Norden ziehende Strömung anzurudern. Weil wir so langsam vorankamen, wurde es mir zunehmend langweiliger, und meine wachsenden unguten Gefühle ließen sich auch nicht abschütteln.
    In den ersten drei Tagen entwickelte sich ein Muster, wie wir mit unserer Einsperrung fertig wurden. Nachdem wir gleich nach Einbruch der Nacht an irgendeiner einsamen Stelle angelegt hatten, zündeten der Koch und seine Helfer das Kohlebecken an und bereiteten für alle Essen zu. Ich speiste mit den anderen, doch der Söldner ließ sich in seiner Kabine auftragen. Danach verließ ich das Boot, nahm ein wenig Natron mit und wusch mich im Fluß. Wenn ich zurückkam, war das Kohlebecken gelöscht, und die Überreste des Abendessens waren beseitigt. Die Ruderer hatten sich unter dem Bug versammelt und schwatzten oder spielten, und ich schritt auf dem Deck auf und ab, die Augen auf das dämmrige Ufer oder den mondbeschienenen Fluß gerichtet, bis es für mich Zeit zum Schlafengehen war. Inzwischen hatten sich die Ruderer schon in ihre Decken gewickelt und zu dunklen Erhebungen zusammengekuschelt, und auch ich streckte mich auf meinem Strohsack aus, legte meinen Dolch unter das Polster, das mir als Kopfkissen diente, und blickte zu den Sternen hoch, bis mir die Augen zufielen.
    Ich wußte, daß der Söldner während der Nachtstunden herauskam, weil ich ihn einmal belauscht hatte. Die Kabinentür knarrte leise, dann hörte ich halbwach, wie er sich barfuß über die Bootsplanken schlich. Danach platschte es ein wenig, und dann hörte ich eine lange Zeit gar nichts. Als ich gerade wieder einschlafen wollte, kletterte er an Bord zurück, und dieses Mal schlug ich die Augen auf. Er tapste leise zur Kabine und ließ überall kleine Lachen

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