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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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herausgelegt und breche selbst am Nachmittag nach Hause auf, bin aber in einer Woche zurück. Ich wünsche dir viel Erfolg.“ Er verließ mich still, und als er fort war, fiel ich in einen bierseligen Schlaf.
    Dennoch fand ich mich gerade vor Beginn der Morgendämmerung an der Bootstreppe des Generals ein und zwang mich, nur noch meine Pflicht im Kopf zu haben. Einer nach dem anderen trafen auch meine Ruderer ein, begrüßten mich freundlich und machten sich an die Arbeit. Der Koch und sein Helfer waren bereits an Bord. Ich stand am Fuß der Laufplanke, als meine Umgebung nach und nach Leben und Farbe annahm und die Vögel in den Büschen, die dicht zu beiden Seiten standen, schlaftrunken zu zwitschern anfingen.
    Nach einer geraumen Weile sah ich zu meiner Überraschung den General höchstpersönlich den Weg vom Haus herabschreiten und unter seinem Pylon auftauchen. Unmittelbar hinter ihm ging eine gedrungenere Gestalt, die sich in einen braunen Wollumhang mit Kapuze hüllte. Sie erinnerte mich kurz an den Seher, bis der General stehenblieb und der Mann nach einer kurzen Verbeugung vor Paiis an mir vorbeischlüpfte, die Laufplanke hochlief und in der Kabine verschwand. Seine kraftvollen Knöchel waren noch brauner als sein Umhang, und um einen schlang sich ein dünnes Silberkettchen. Er ging barfuß. Die Hand, die auftauchte und die Kapuze beim Betreten der Laufplanke etwas zurückschob, war genauso dunkelbraun, ja, fast so schwarz wie Haut, die ständig der Sonne ausgesetzt ist. Ich sah einen aufblitzenden silbernen Daumenring, ehe der Ärmel des Umhangs die Finger wieder verbarg. Irgendwie kamen mir Zweifel, ob dieser Passagier zugänglicher sein würde als mein letzter, und ich wandte mich bekümmert an meinen Vorgesetzten. „Guten Morgen, General“, sagte ich und salutierte. Als Antwort überreichte er mir eine Rolle.
    „Die Bestätigung deiner Anweisungen, Offizier Kamen“, sagte er. „Falls der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, daß du in Schwierigkeiten gerätst, gibt sie dir das Recht, Vorräte und Beförderungsmittel anzufordern, die du vielleicht benötigst.“ Derlei Vollmachten waren üblich. Ich nickte also und steckte den Papyrus in meinen Gürtel.
    „Vermutlich hat auch der Söldner einen schriftlichen Befehl“, meinte ich. „Aus welcher Division ist er?“
    „Augenblicklich gehört er keiner Division an“, antwortete Paiis. „Er ist allein mir unterstellt. Er kann nicht lesen, darum ist er mündlich instruiert worden. Trotzdem wirst du ihm aufs Wort gehorchen.“
    „Aber, General“, begehrte ich hitzig auf, „in einer gefährlichen Situation, die eine Entscheidung erfordert, zählt diese doch gewißlich zu meinen Dienstobliegenheiten...“ Mit einer raschen, beinahe wilden Geste schnitt er mir das Wort ab.
    „Nicht dieses Mal, Kamen“, sagte er nachdrücklich. „Dieses Mal bist du Begleitschutz und nicht der Hauptmann der Wache. Falls alles gut geht, brauchst du gar keine Entscheidungen zu treffen. Und falls etwas schief geht, wirst du ihm gehorchen, ohne zu fragen.“ Als er meine Miene sah, legte er mir mitfühlend die Hand auf die Schulter. „Das bedeutet nicht Zweifel an deinen Fähigkeiten“, wollte er mir weismachen. „In Wahrheit ist diese Tatsache eine Bestätigung des Vertrauens, das ich in dich setze. Ich freue mich auf deinen Bericht, wenn du wieder zurück bist.“
    Irgendwie fröstelte mich bei seinem Ton, und ich warf ihm einen schnellen Blick zu. Er lächelte, und das sollte wohl väterliche Sorge eines Vorgesetzten für einen vielversprechenden Untergebenen ausdrücken, aber dahinter, hinter der fahlen Haut und den Augenringen, war das Gesicht, dem man eine neuerliche wüste Nacht ansah, eigenartig verschlossen. Seine Augen wichen meinen aus, er senkte den Blick, der dann zu den Ruderern wanderte, die mit eingezogenen Riemen warteten, und zu dem Steuermann, der auf dem Ausguck oben im Bug die Morgenluft schnupperte und einen Arm über das hochgeschwungene Ruder gelegt hatte. „Du solltest lieber ablegen“, schloß er abrupt. „Die Flut hat ihren Höchststand erreicht, ihr werdet tüchtig und kräftig rudern müssen. Mögen deine Füße festen Tritt finden.“ Seine Stimme brach, und er hustete und lachte kurz auf. Ich salutierte noch einmal, doch das schon vor seinem sich entfernenden Rücken, denn er hatte bereits mit gesenktem Kopf auf den Fersen kehrtgemacht und war gegangen.
    Ich wandte mich auch ab; sofort streckte sich der Steuermann, die Ruderer

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