Die Herrin Thu
Schweiß. Ich traute mich, einen Augenblick innezuhalten, obschon alles in mir schrie, schnell, schnell, und allmählich gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Ich erkannte die zerdrückten Polster, auf denen er vermutlich die meiste Zeit verbrachte, und daneben ein Bündel. Merkwürdigerweise scheute ich davor zurück, es anzufassen, hob aber trotzdem den groben, zerdrückten Umhang hoch und schüttelte ihn. Dabei fiel nichts heraus, doch unter dem Kleidungsstück lag ein Ledergurt, in dem zwei Messer steckten. Eins davon war kurz, eher eine Klinge zum Abstechen von Tieren, doch das andere war krumm und gemein und bis zur Spitze grob gezackt, so daß es, wenn es herausgezogen wurde, dem Fleisch des Opfers eine tödliche, klaffende Wunde zufügte.
Das war nicht die Waffe eines Soldaten, soviel wußte ich. Ein Soldat mußte schnell reagieren, zuschlagen oder draufschlagen, zurückziehen und erneut zuschlagen. Dieses Messer erforderte nicht nur große Kraft, um es aus der Wunde herauszuziehen, sondern auch Zeit. Nicht sehr viel, aber trotzdem mehr, als es sich ein Soldat in der Hitze des Gefechts leisten konnte. Das war ein Dolch für einen Einzelmörder und ein einziges Opfer. Vage war ich mir bewußt, daß mein Herz mittlerweile heftig und unregelmäßig schlug, während meine Hand weiter unter den Polstern suchte. Unter einem fand ich einen dünnen Kupferdraht, der an jedem Ende um kleine, eingekerbte Holzklötze gewickelt war. Eine Garotte. Mit zitternden Fingern legte ich sie zurück, überzeugte mich, daß der Umhang wieder auf dem Gurt lag, und schlich mich schnell aus der Kabine.
Kaum hatte ich mich unter das Sonnensegel gelegt und mir die Decke über die Schultern gezogen, da hörte ich den Mann mäuschenstill wieder an Deck kommen. Ich drückte die Augen fest zu und zwang mich, nicht zu zittern. Die Tür machte ein ganz leises Geräusch, und im hinteren Ende des Bootes seufzte einer der Ruderer und fing an zu schnarchen. Ich wagte nicht, mich aufzusetzen, denn ich hatte Angst, der Mann in der Kabine, von dem mich nur ein paar Zoll trennten, könnte merken, daß ich nicht schlief. Hatte ich alles wieder so hingelegt, wie ich es vorgefunden hatte? Was würde passieren, wenn er merkte, daß ich seine Sachen durchsucht hatte, während er schwamm? Ob er riechen konnte, daß ich dagewesen war? Denn jetzt wußte ich, was er war. Kein Soldat. Nicht einmal ein Söldner. Er war ein Mörder, und Paiis hatte ihn gedungen, die Frau umzubringen, nicht sie zu verhaften.
Selbst jetzt noch wollte ich es nicht glauben. Starr und steif lag ich da, und mir schwindelte. Ich wollte aufspringen, wollte schwimmen, rennen, alles, nur um das Fieber loszuwerden, das mich ergriffen hatte, doch ich traute mich nicht, auch nur einen Zeh zu bewegen, und bemühte mich nach besten Kräften, mir einen Grund auszudenken, warum die Situation so war, wie sie war. Ich täuschte mich furchtbar in dem Mann. Er war ein fremdländischer Söldner, der natürlich die Waffen mit sich führte und verwendete, an denen man ihn in seinem eigenen Land ausgebildet hatte. Das war doch glaubhaft. Jemand Hochgestelltes, möglicherweise ein Fürst, war von der Frau belästigt worden und hatte ihre Verhaftung gefordert, und Paiis hatte wegen des hohen Ranges des Beschwerdeführers alles darangesetzt, damit nichts schiefging. Eine rasche Botschaft an den Schulzen ihres Dorfes hätte da nicht genügt. Aber warum dann die Heimlichkeiten? Warum versteckte sich der Mann? Warum hatte man mir befohlen, mich so wenig wie möglich zu zeigen?
Was auch immer ich versuchte, keines der lahmen Argumente überzeugte mich, es war und blieb ein verzweifelter Rechtfertigungsversuch, und am Ende mußte ich mich der unabweisbaren Schlußfolgerung stellen, daß der Mann, dem ich vertraute und der größtenteils für mein Wohlergehen verantwortlich war, daß dieser Mann mich angelogen hatte. Ich brachte der Frau aus Aswat nicht den Verlust ihrer Freiheit, sondern den Tod, und ich wußte nicht, was ich machen sollte.
Als ich mir endlich die Wahrheit eingestand, verspürte ich als erstes einen kalten und selbstsüchtigen Zorn auf den General. Er hatte mich benutzt, nicht weil ich ein fähiger Soldat, sondern weil ich jung und unerfahren war. Ein alter Hase hätte möglicherweise sofort etwas gerochen und den Auftrag mit einer schlauen Ausrede abgelehnt oder er hätte ihn weniger zaghaft als ich geprüft und dann seine Sorge einem Höhergestellten vorgetragen. Einem anderen
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