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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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vollkommen runden, hellroten Kiesel, ehe mein Fuß darauftrat. Er hörte mich kommen und wandte mir halb den Kopf zu, doch er wich und wankte nicht. Sein Ellenbogen hob sich, um ihr das Messer in die Seite zu rammen. In diesem Augenblick traf ich ihn in die Grube zwischen Hals und
    Schulter, beide Hände um den Schwertgriff gelegt. Er stöhnte auf, taumelte und sank auf ein Knie. Klirrend fiel sein Messer zu Boden. Ich riß mein Schwert heraus, und schon ergoß sich sein Blut in Strömen, doch selbst noch im Fallen und auf allen vieren tastete er nach seiner Waffe. Ich schnappte sie mir und stieß sie ihm mit einem Aufschrei in den Rücken. Er sackte im Staub zusammen und fiel mit dem Gesicht in die Lache dunkelroter Flüssigkeit, die sich auf dem Weg ausbreitete. Einen Augenblick lang tasteten seine Finger zwischen den Steinchen herum, dann stöhnte er noch einmal und wurde still. Ich stolperte zur Mauer, stützte mich auf mein Schwert und erbrach mich, bis mein Magen ganz leer war. Als ich es endlich schaffte, mich umzudrehen, sah ich, daß die Sonne aufgegangen war. Eine warme Brise bewegte die Haare, die sich aus dem glänzenden, schwarzen Zopf des Mannes gelöst hatten, und hob den Saum seines Mantels.
    Sie saß neben der Leiche und hielt sich die Hand, aus der ein paar Tropfen Blut sickerten. „Da“, sagte sie heiser und zeigte mir ihren Handrücken. An ihrem Hals bildeten sich bereits blaue Flecke. „Das Kupfer hat bis auf die Knochen geschnitten. Aber er ist tot. Ich habe ihn untersucht. Man kann keinen Puls mehr fühlen.“ Sie musterte mich mitfühlend. „Das hast du gut gemacht“, sagte sie jetzt. „Ich hatte schon Angst, du würdest ihm seine Geschichte abnehmen und zum Boot zurückgehen. Ich kann kaum sprechen, Kamen. Wir müssen ihn begraben, ehe auf diesem Weg Leute kommen. Lauf zu meinem Haus und hol meine Decke und meinen Besen. Beeil dich.“ Ich erholte mich allmählich, aber die Knie schlotterten mir noch immer, und ich taumelte eher zu ihrer Hütte als daß ich ging. Es wollte mir vorkommen, als hätte ich dort vor tausend Hentis mit den beiden gestanden und einen anderen Kamen zurückgelassen, der sich dort noch immer angstvoll und unschlüssig zwischen Tag und Nacht herumtrieb.
    Ich war irgendwie verändert. Das war so sicher wie die Tatsache, daß die Sonne aufgegangen war. Ich hatte den Abgrund zwischen Knabe und Mann mit einem einzigen Sprung überwunden, und das war nicht geschehen, weil ich mein Schwert erhoben und damit einen Mann getötet hatte, sondern weil ich gezwungen gewesen war, mich einer unbekannten Gefahr zu stellen, wie sie meine jungen Kameraden noch nicht erlebt hatten, und ich hatte das Ganze durchgestanden. Als ich dann mit Decke und Reisigbesen zurückkam, war meine Übelkeit vollkommen verflogen.
    Wir rollten die Leiche in die Decke, ließen jedoch das Messer im Fleisch stecken, damit nicht noch mehr verräterische Blutlachen auf den Weg rannen, und mit dem Besen kehrten wir alle Spuren von dem Mord ins Gebüsch. In heller Panik und Hast schleiften wir die Leiche eher, als daß wir sie schleppten, in ihr Haus. „Es hat keinen Zweck, ihn in der Wüste zu verscharren“, sagte sie. „Dort würden ihn nur die Schakale ausgraben, und außerdem dauert es zu lange, bis wir ein einigermaßen tiefes Loch haben. Den ganzen Morgen vermutlich, und ich muß gleich den Tempel fegen. Falls ich nicht erscheine, kommt man und sucht mich.“ Während sie sprach, nein, eher krächzte, denn sie hatte eine deutlich sichtbare Wunde an der Kehle, versorgte sie eilig ihre Hand, wusch sie und legte eine Salbe auf. Sie hielt die Hand hoch und verzog gequält das Gesicht. „Ich kann dir nicht helfen“, fuhr sie fort. „Aber draußen an der Mauer findest du einen Spaten. Begrabe ihn unter meinem Fußboden. Ich habe ohnedies nicht die Absicht, diese Hütte noch länger zu bewohnen. Wenn ich zurück bin, können wir beraten, was wir tun sollen.“ An die Zukunft hatte ich überhaupt noch nicht gedacht. All meine Gedanken hatten unserer Rettung gegolten. Und jetzt konnte ich mir das auch nicht leisten. Es war Morgen. Die Ruderer würden frühstücken und sich schon bald fragen, was aus mir geworden war. Ich holte den Spaten und machte mich an die Arbeit.
    Ihr Fußboden war aus gestampftem Lehm, sauber, aber hart. Als ich jedoch die ersten Zoll durchstoßen hatte, stieß ich auf Sand und kam schneller voran. Ab und an ging jemand an ihrer Tür vorbei, und dann hielt ich keuchend inne, doch

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