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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Garantie, daß der König den Inhalt jemals zu lesen bekommt. Also habe ich jede fertiggestellte Seite abgeschrieben. Eine Zeitlang, nachdem man mich hier hergeschickt hatte, habe ich über unseren Schulzen Bittschriften an den König geschickt, die nicht beantwortet wurden. Wahrscheinlich hat niemand sie gelesen. Doch nach dieser langen Zeit hat er mir gewißlich vergeben! Vergeben und auch vergessen. Man sagt, daß er krank ist. Ich muß ihn sehen, bevor er stirbt.“
    „Aber wenn er tot ist, wird der neue Falke-im-Nest alle Urteile überprüfen“, wandte ich ein. „Falls das, was du sagst, wahr ist, wäre es da nicht besser, du wendest dich an seinen Nachfolger?“
    „Den Prinzen habe ich auch gekannt, als er jung und schön war und unter einer abweisenden, aber gütigen Maske einen kalten Ehrgeiz verborgen hat. Der möchte nicht an das Bauernmädchen erinnert werden, das einst mit ihm um eine Königinnenkrone gefeilscht hat. Nein, Kamen. Ich habe nur bei Ramses, dem Älteren, eine Chance, und du mußt mir helfen, zu ihm zu gelangen. Warte noch ein wenig länger.“ Ein heller Sonnenstrahl fiel auf den Boden, als sie die Binsenmatte hochhob und nach draußen ging.
    Das war die Gelegenheit zur Flucht. Ich wäre binnen kurzem auf dem Boot, ließe die Laufplanke einholen und die Ruderer vom Ufer abstoßen. Ich hatte getan, was die Götter von mir forderten. Mehr konnte niemand verlangen. Ich hatte ihr das Leben gerettet. Was jetzt aus ihr wurde, ging mich nichts an. Ich mußte mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern, und sie hatte kein Recht, meine Laufbahn noch weiter zu gefährden, indem sie sich mir aufdrängte wie ein Bettler, der mich auf der Straße belästigte. Ich wollte nichts von ihrer Geschichte wissen. Ich wollte zurück ins Delta und mein säuberlich geordnetes Leben wiederaufnehmen. Sie war eine Krankheit, die ich mir auf meiner ersten Reise in den Süden zugezogen hatte und nicht loswurde.
    Trotzdem war mir klar, daß ich nicht weglaufen würde. Nicht weil ich einen zu schwachen Charakter hatte und ihr nichts abschlagen konnte, sondern weil sie die Wahrheit sagte und ich nicht wollte, daß sie nach allem, was ich für sie getan hatte, doch noch ermordet wurde. Ich konnte noch wählen, sie nicht. Ich würde ihr Manuskript lesen. Falls ihre Geschichte mich nicht überzeugte, würde ich sie in Pi-Ramses den zuständigen Behörden übergeben, und die würden sie anklagen, weil sie gegen die Bestimmungen ihrer Verbannung verstoßen hatte. Paiis würde ich sie allerdings nicht überantworten, und dieser würde es nicht wagen einzugestehen, daß er bereits den Befehl gegeben hatte, sie auf eigene Faust heimlich festzunehmen. Ich dachte an die Leiche unter meinen Füßen und fügte mich ins Unvermeidliche.
    Sie blieb lange weg, und ich wollte schon gehen, da tauchte sie wieder auf und winkte mich nach draußen. Dankbar verließ ich das dämmrige, stickige Zimmer und trat blinzelnd in den vormittäglichen Sonnenglast. Sie hatte sich das Haar gewaschen und zusammengebunden. Über einem Arm lag ein Umhang mit
    Kapuze, in der anderen Hand hatte sie einen Lederbeutel, den sie mir hinstreckte. „Den hatte ich im Haus meines Bruders verwahrt“, erläuterte sie. „Er will das Gerücht verbreiten, daß ich krank bin und in seinem Haus bei ihm wohne, bis ich meine Arbeit wiederaufnehmen kann. Meine Eltern werden sich Sorgen machen, und meine Mutter wird mich pflegen wollen, obwohl sie nicht mehr als Heilkundige und Wehmutter arbeitet, aber mein Bruder will ihr das irgendwie ausreden. Ich habe sie in den langen Jahren wenig zu sehen bekommen. Sie hat immer etwas gegen mich gehabt. Aber meinem Vater wird er schließlich die Wahrheit sagen müssen“, meinte sie achselzuckend, doch mit belegter Stimme. „Ich liebe meinen Bruder heiß und innig. Er hat mir bei jedem törichten Abenteuer geholfen und mich unterstützt, und falls er wegen dieser Sache Schaden nimmt, muß ich noch mehr Schuld auf mich nehmen, aber ich weiß einfach nicht, was ich sonst tun soll.“ Sie warf sich den Umhang um und schlug die Kapuze hoch. „Gehen wir.“
    „Möchtest du nichts mitnehmen?“ fragte ich und wies auf ihre Hütte, doch statt einer Antwort machte sie eine Geste, eine Mischung aus heftiger Zurückweisung und Bedauern, ehe sie sich abwandte.
    „Ich habe bereits zwei Leben gelebt“, sagte sie bitter. „Vor vielen, vielen Jahren habe ich Aswat mit nichts verlassen und bin mit nichts nach hier zurückgeschickt worden.

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