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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Ich fange von dieser unfruchtbaren Scholle noch einmal von vorn an und wieder mit nichts.“ Darauf gab es nichts zu sagen.
    Zusammen gingen wir im Schatten der Tempelmauer dahin und folgten dem Weg, der sich zwischen Bäumen und Fluß dahinzog. Die Felder lagen verlassen, und zu meiner Erleichterung war auch der Weg menschenleer, obwohl ich die Priester von ferne singen hörte, als wir an dem kleinen Kanal des Tempels vorbeikamen und nach links abbogen. Das Boot war nicht zu sehen, doch ich packte sie beim Ellenbogen und zog sie durch das Gebüsch, bis wir zu der Bucht gelangten. Auf einmal wurde mir bewußt, daß ich völlig verdreckt war, daß Sand und Erde an meiner verschwitzten Haut klebten und ich stank. Während sie außer Sichtweite der Ruderer wartete, deren ungezwungenes Geplauder von der klaren Luft verständlich herangeweht wurde, tauchte ich in den himmlisch kühlen Fluß und säuberte mich, so gut es ging. Alsdann näherten wir uns dem Boot. Ich rief nach einer Laufplanke und führte sie an Deck.
    Nach kurzem Schweigen bedeutete ich dem Steuermann, ans Ruder zu klettern, und die Ruderer beeilten sich, die Laufplanke einzuziehen und alles zum Ablegen bereitzumachen. Das Boot erzitterte unter mir, als es aus dem Sand geschoben wurde, und dann trieben wir in die nach Norden fließende Strömung. Das Segel blähte sich in der Brise: Wir waren frei! Wir fuhren nach Hause, und ich ließ mich hochgestimmt und erschöpft unter dem Sonnensegel nieder, die
    Frau neben mir. Mein Kapitän kam zu mir, er blickte mich fragend an, doch ich kam ihm zuvor.
    „Der Söldner mußte sich noch um weitere Geschäfte in Sachen General Paiis kümmern“, sagte ich. „Er wird allein nach Pi-Ramses zurückkehren. Sag dem Koch, er soll Essen und Bier für die Gefangene und mich bringen und die Kabine durchlüften und für die Frau hier saubermachen.“ Er verbeugte sich und trabte über das Deck davon, und ich lehnte mich zurück und schloß die Augen. „Ich esse und trinke jetzt, und dann will ich schlafen“, sagte ich mit einem Seufzer. „Wenn die Kabine bereit ist, kannst du sie haben.“
    „Danke“, sagte sie knapp. „Ich habe auch nicht erwartet, daß ich mich die nächsten zehn oder mehr Tage vor den Augen deiner Mannschaft zur Schau stellen muß.“ Insgeheim mußte ich lächeln.
    „Das müßtest du aber, wenn ich es dir befehlen würde“, gab ich zurück, machte aber die Augen nicht auf. „An Bord dieses Schiffes bin ich der Herr, und du bist meine Gefangene.“ Sie gab keine Antwort. Ich spürte, wie ein Tablett neben mir abgesetzt wurde, und roch Bier. Es wartete dunkel und durststillend, doch eine geraume Weile rührte ich mich nicht. Sie auch nicht. Als ich schließlich die Augen aufschlug und mich aufsetzte, hatte sie diese klaren blauen Augen zusammengekniffen, beobachtete mich und verzog den vollen Mund. „Das tut gut“, sagte sie.
    Je größer der Abstand zwischen uns und Aswat wurde, desto mehr löste sich meine Anspannung. Am Ufer tauchten keine Soldaten auf, die riefen und uns bedeuteten anzulegen, wie ich insgeheim befürchtet hatte. Kein Schiff verfolgte uns. Mit der nördlichen Strömung und dem Wind im Rücken machten wir gute Fahrt und legten jeden Abend an, kochten und aßen. Wir mußten uns nicht länger vorsehen. Dazu bestand kein Grund mehr. Während die Ruderer ein Kochfeuer entfachten, ließen wir uns über Bord gleiten und schwammen kräftig hin und her, sie mit fließendem schwarzem Haar und Armen, die wie braune Fische auf- und abtauchten. Sie schwamm so zielstrebig, daß es mich an die sportlichen Übungen erinnerte, die mir mein Ausbildungsoffizier verordnet hatte, um meine Muskeln fürs Bogenschießen zu kräftigen.
    Ich hatte begonnen, ihre Geschichte zu lesen, und war auf der Stelle gefangen. Die fließende hieratische Schrift, in der sie schrieb, war sicher und schön, und sie konnte sich auch wunderbar ausdrücken. Das war nicht das mühselige Gekrakel einer Frau vom Lande, sondern der sichere Satzbau eines gut ausgebildeten Schreibers.
    Ich las, wie sie in Aswat geboren worden war, daß ihr Vater als libyscher Söldner in den frühen Kriegen des Pharaos gekämpft hatte und mit den üblichen drei Aruren Ackerland belohnt worden war. Ihre Mutter hatte im Dorf als Wehmutter gearbeitet. Die Frau berichtete von ihren frühen Jahren, wie sie sich danach gesehnt hatte, Lesen und Schreiben zu lernen, und wie sich ihr Vater geweigert hatte, sie in die Tempelschule zu schicken, und wie

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