Die Herrin Thu
schickte. Vielleicht habt ihr geglaubt, wenn ihr euch nach seinem Schicksal erkundigt, würde das Verdacht erregen. Vielleicht ist es euch schlicht einerlei gewesen.“
„Mich kümmert er ganz sicher nicht“, fiel mir Hunro ins Wort. „Warum auch? Warum sollte es einen von uns kümmern? Sie war ein dreckiges kleines Bauernmädchen von nirgendwo und ohne einen Funken Dankbarkeit oder Demut, und das unreine Blut in den Adern ihres Bankerts hat gewißlich allen Einfluß zunichte gemacht, den der Samen des Pharaos hätte haben können.“
„Und trotzdem war sie außergewöhnlich schön“, murmelte Paiis. „Ich hätte etwas darum gegeben, wenn ich ihr meinen Samen hätte einpflanzen können, und ich wette, bei mir hätte sie mehr Lust empfunden als bei dem Dickwanst. Sie sucht mich noch immer heim wie ein halb vergessener Traum.“
„Du urteilst sehr hart über jemanden, mit dem du einmal befreundet warst“, flocht Hui sanft ein und blickte Hunro an, doch die lachte höhnisch.
„Mit diesem Emporkömmling! Damals war auch ich jung und voller Hoffnungen. Ich habe mich bemüht, mich auf deine Bitte hin mit ihr anzufreunden, Hui, aber es war hart.
Sie war grenzenlos überheblich, und am Ende hat sie alles verpfuscht und genau das bekommen, was sie verdient hat.“
„Falls sie bekommen hätte, was sie verdient und was wir für sie erhofften, dann wäre sie jetzt nicht mehr am Leben und könnte uns gefährden“, kam Paibekamuns schrille Stimme aus dem Dunkel. „Ich verstehe deinen Schreck, Herrin Hunro. Schließlich hast du gewußt, was in dem Öl war, das Thu der armen, kleinen Hentmira gegeben hat, damit sie den Pharao damit salbt. Du warst dabei, als Thu dem arglosen Mädchen das Öl geschenkt hat. Wer weiß, welche Stimmen im Harem geweckt werden und gegen dich aussagen könnten?“
„Und was ist mit dir, Oberhofmeister?“ schoß Hunro zurück. „Du hast den leeren Krug mit den Arsenspuren im Öl verwahrt, hast ihn den Prinzen übergeben, wie Hui dich angewiesen hatte, und Thu in dem Glauben gelassen, du hättest ihn vernichtet. Auf dich ist kein Verdacht gefallen, weil wir alle gelogen haben, damit nur sie, sie ganz allein als Schuldige dastand!“
„Frieden!“ sagte Hui. „Wir haben allesamt gelogen. Jeder von uns könnte die anderen nach Belieben ans Messer liefern. Thu wurde für unsere Freiheit geopfert. Für mich war das ein Verlust, auch wenn du, Hunro, anders darüber denkst. Ich habe sie im Dung von Aswat aufgelesen. Ich habe sie ausgebildet, geschult, mich um jede Einzelheit ihrer Erziehung gekümmert. Ich habe sie geschaffen. Sie gehörte mir. Solch ein Unterfangen hinterläßt Spuren. Ich habe sie nicht leichten Herzens den Schakalen zum Fraß vorgeworfen.“
„Ach, wirklich nicht, Bruder?“ sagte Paiis leise. „Fehlt sie etwa nicht nur deinem Herzen?“ Hui überhörte die Bemerkung.
„Laßt Kaha weiterreden“, befahl er. Ich nickte und stellte meinen Becher ab. „Anscheinend hat Thu einen Bericht über ihre Beziehungen zu uns geschrieben“, sagte ich, „und wie ihr alle wißt, hat sie jahrelang versucht, Leute, die das Pech hatten, in Aswat anlegen zu müssen, zu überreden, diesen Bericht dem Pharao zu überbringen. Ein törichtes Unterfangen natürlich, und es hat ihr den Ruf einer Irren eingetragen. Doch jetzt wird unsere Sicherheit aus einer anderen Richtung bedroht. Ihr Sohn hat seine wahre Abkunft entdeckt. Er hat die vergangenen sechzehn Jahre als angenommener Sohn meines jetzigen Gebieters, des Kaufmanns Men gelebt. Vor drei Tagen ist es ihm gelungen, die Rolle zu lesen, in der der Pharao als sein Vater und Thu aus Aswat als seine Mutter angegeben werden, und jetzt ist er verschwunden. Ich glaube, er ist auf dem Weg nach Aswat, um sie zu sehen. Wer weiß, welchen Plan zur Vergeltung die beiden aushecken. Gewißlich überredet er sie, ihren Verbannungsort zu verlassen und sich um eine Audienz beim Pharao zu bemühen.“
„Na und?“ spottete Paiis. „Was soll uns das? Zu zweit haben sie nicht mehr Beweise für eine Verschwörung als Thu allein. Nachdem du den Inhalt ihres albernen Kastens gelesen hast, Hui, hast du alles verbrannt. Ihr Wort steht noch immer gegen unseres.“
„Schon möglich“, sagte Hui nachdenklich. „Aber du hast den jungen Mann mit einem Mörder nach Süden geschickt, nur auf den leisen Verdacht hin, er könnte gelesen haben, was in dem Kasten war. Du wolltest auch nicht das geringste Risiko eingehen. Ich glaube nicht, daß er den Kasten
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