Die Herrin Thu
schwach gemacht. Ich wußte nicht einmal, ob es ihn geschmerzt hatte, als er ihren Sturz in die Wege leiten mußte. Und trotzdem verhielt es sich so.
Der General wußte auch Bescheid. Er beobachtete seinen Bruder ungerührt und mit dem Anflug eines Lächelns. „Uns stehen zwei Wege offen“, sagte er. „Wir können noch einmal versuchen, Thu und ihren Sohn zu ermorden. Sie dürften unschwer zu finden sein. Oder wir können endlich den Pharao meucheln, doch das erscheint mir töricht, da sich sein Leben ohnedies dem Ende zuneigt. Prinz Ramses ist bereits offiziell zum Erben ernannt worden, und dieser Ramses kennt sich weitaus besser als sein Vater damit aus, wozu ein Heer dient.“
„Meinetwegen bringt sie alle um“, schaltete sich Hunro heftig und betrunken ein. „Ramses, weil es Zeit wird für eine neue Regierung, und Thu und ihre Brut. Ich brauche euch nicht daran zu erinnern, daß der Prinz mit der Untersuchung unseres letzten Mordversuchs an seinem Vater beauftragt war und ein ehrlicher Mensch ist. Was schadet es schon, wenn Thu und Kamen dem sterbenden Horus oder dem Falken-im-Nest etwas einflüstern.“ Paibekamun beugte sich ins Lampenlicht. Sein rasierter Schädel glänzte, und die Schatten seiner langen, knotigen Finger bewegten sich wie Spinnen, als er den Mund aufmachte.
„Das ist aberwitzig“, sagte er. „Es gibt nicht den Hauch eines Verdachts gegen uns. Was ist, wenn es Thu und ihrem Sohn gelingt, bis vor das Angesicht des Einzig-Einen vorzudringen? Sie hat nichts Neues zu bieten und nichts vorzuweisen. Ramses ist gebrechlich und oft krank. Vielleicht begnadigt er sie, doch wenn, dann aufgrund früherer Leidenschaft, und nicht, weil er sie für unschuldig hält.“ Die Worte des Oberhofmeisters erstaunten mich, denn beide, er und
Hunro, hatten auf Thu herabgesehen, weil sie sich für etwas Besseres hielten. Hunros blaues Blut reichte dafür als Erklärung, doch Paibekamuns Abkunft war fragwürdig, und wie alle ehrgeizigen Emporkömmlinge verriet er seine Unsicherheit durch Verunglimpfung von Menschen, die er für unterlegen hielt. „Außerdem“, so fuhr er fort, „hat Banemus ein Recht darauf, befragt zu werden, ehe wir etwas unternehmen.“
„Mein Bruder ist im Laufe der Jahre weich geworden, wie du, Paiis, wissen solltest“, sagte Hunro verächtlich. „Er hat sein ganzes Leben als General des Pharaos in Nubien zugebracht, und es verdrießt ihn nicht mehr, daß er seine militärische Begabung fern des Machtzentrums ausüben muß. Seit unserem Fehlschlag vor vielen Jahren hat er das Interesse an unserer Sache verloren. Ich sehe ihn selten. Er würde sich deinem Rat, Paibekamun, anschließen, keine schlafenden Löwen zu wecken.“
„Und du, Kaha“, sagte Hui und trank dabei halb spöttisch, halb respektvoll auf mein Wohl. „Du hättest die Nachricht für dich behalten können, hast uns aber alle zusammengerufen. Wie lautet deine Meinung? Sollen wir sie alle umbringen?“
Du schrecklicher Mensch, dachte ich und blickte ihm ins Gesicht, das wie immer weiß wie Salz war. Dein Mund verkündet nur selten die Botschaft, die deine Augen übermitteln. Du weißt schon, was ich fühle, welche Worte von meinen Lippen kommen, du hast mich doch bereits eingeschätzt. „Ich stimme mit Paibekamun überein“, sagte ich. „Ein derartiges Gemetzel ist nicht vonnöten. Ramses liegt im Sterben. Was auch immer sich aus Kamens Entdeckung ergibt, es kann uns nicht berühren, obwohl es in Mens Familie zweifellos alles über den Haufen wirft. Thu hat durch uns genug gelitten. Lassen wir sie um Begnadigung bitten. Was Kamen angeht, so ist er unschuldig, abgesehen von dem Pech, daß Ramses ihn gezeugt hat. Laßt ihn in Ruhe!“ Hui zog eine helle Augenbraue hoch.
„Eine leidenschaftslose und unvoreingenommene Zusammenfassung“, sagte er spöttisch. „Wir stehen vor zwei Extremen, meine skrupellosen Freunde. Nachsicht oder Vernichtung. Was für eine berauschende Wahl, nicht wahr? Genießt ihr dieses Machtgefühl? Seid ihr bereit, alle miteinander das Risiko einzugehen, daß niemand bei Hofe auf das, was Thu von den Palastdächern schreit, hört oder achtet? Denn schreien wird sie. Ich kenne sie besser als jeder von euch. Wenn sie die Gelegenheit bekommt, wird sie fluchen und schimpfen und die Fäuste schütteln, bis jemand aufmerksam wird. Denn ob es uns nun gefällt oder nicht, sie ist eine von uns, dickköpfig, schlau, hinterlistig und gewissenlos. Diese bedenklichen Eigenschaften kann man sowohl
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