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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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aufgemacht hat. Die Knoten waren intakt, oder jemand, der sie bei mir gelernt hat, hat sie neu geknotet. Nein. Ich glaube, Thu hat zu ihrer Verteidigung nicht auf ein einziges Manuskript gesetzt. Es gibt noch eins.“
    „Das Kamen wahrscheinlich gelesen hat“, schaltete sich Paiis ein. „Vor vier Tagen hat er mich angelogen, hat mir erzählt, daß der Mörder und die Frau verschwunden wären. Ich habe erst Verdacht geschöpft, nachdem ich die Mannschaft befragt hatte, denn die hat mir erzählt, daß Kamen Thu an Bord gebracht hat, weil er sie im Gefängnis von Pi-Ramses abliefern wollte. Er muß also herausgefunden haben, was für ein Mann da mit ihm gereist ist, und hat sich seiner irgendwie entledigt. Ein unternehmungslustiger junger Offizier.“ Jetzt blickte er mich ungerührt an. „Du täuschst dich also, Kaha. Kamen ist nicht nach Aswat durchgebrannt. Er versteckt sich irgendwo in der Stadt, und Thu ist bei ihm. Falls er seinen Posten vor meiner Tür wieder angetreten hätte, ich hätte ihn sofort verhaften lassen, aber er war zu schlau. Zeitweilig jedenfalls.“
    „Dann hast du also gewußt, wer er war?“ platzte ich heraus. „Woher hast du das gewußt?“
    „Weil ich es ihm gesagt habe“, bemerkte Hui ruhig. „Kamen ist vor geraumer Zeit zu mir gekommen, um sich Rat zu holen. Ihn plagten Träume, die er weder deuten noch abschütteln konnte. Ich willigte ein, für ihn ins Öl zu schauen, weil Men und ich gelegentlich geschäftlich miteinander zu tun haben. Kamen argwöhnte, daß der Traum mit der Frau zu tun hätte, die ihm das Leben geschenkt hat, und ich dachte das auch. Als ich ihr Bild heraufbeschwor, sah ich Thus Gesicht. Thu.“ Er hielt inne und schwenkte den Wein im Becher, ehe er einen großen Schluck trank. Sein roter Blick traf sich mit meinem, und er lächelte spöttisch. „Ich erschrak furchtbar, doch meine Gabe lügt nicht. Der biedere junge Offizier mit den breiten Schultern war niemand anders als das Kind, das Ramses weggegeben hatte. Als ich das erst wußte, konnte ich natürlich beide in ihm erkennen. Seine Augen sind in Farbe und Form die von Ramses, und vom Wuchs her ähnelt er Ramses auch sehr, als der noch jung und kräftig war und gern Krieg führte.
    Doch der sinnliche Mund ist von Thu, desgleichen die gerade Nase und das kantige Kinn. Ich habe ihn verspottet. Das war ein Fehler.“
    „Aber warum hast du mir das nicht mitgeteilt?“ fragte ich scharf. „Du hast doch gewußt, daß ich unter dem Dach seines Vaters lebe!“
    „Was hätte das schon genutzt?“ sagte Paiis. „Du hast das Haus meines Bruders verlassen, weil du Angst hattest. Es war rücksichtsvoller, dich nicht noch weiter hineinzuziehen.“
    „Ich bin gegangen, weil ich nicht glaubte und bis jetzt nicht glaube, daß Ramses Thus Urteil aus Gefühlsduseligkeit umgewandelt hat“, gab ich hitzig zurück. „Er weiß von uns, hat immer von uns gewußt, auch wenn dieses Wissen nicht ausreicht, um uns vor Gericht zu bringen. Ich habe kein Verlangen danach, daß man mir vom Palast heimlich nachforscht.“
    „Dann bitte ich um Vergebung“, sagte Paiis ohne das geringste Zeichen von Reue. „Aber das mag ich einfach nicht glauben. Seit siebzehn Jahren sind wir freie Menschen. Hui behandelt noch immer die königliche Familie. Ich bin noch immer General. Hunro kann noch immer im Harem kommen und gehen.
    Paibekamun wartet seiner Majestät noch jeden Tag auf. Du bist ein Opfer deiner Einbildungen gewesen, Kaha.“
    „Paiis hat vorgeschlagen, daß wir uns beide, Thu und Kamen, vom Hals schaffen“, sagte Hui. „Es war nur noch eine Frage der Zeit, daß Kamen sie fand, und wie du schon gesagt hast, Kaha, zusammen könnten uns die beiden gefährlich werden. Leider ist es Kamen gelungen, den Mordversuch zu vereiteln, und jetzt müssen wir wieder einmal entscheiden, was wir tun sollen.“
    In seiner Stimme schwang Stolz mit, er wirkte, als erzählte er von den Streichen eines Sohnes, und ich blickte ihn neugierig an. Die warme Nacht und die Wirkung des Weins, den er getrunken hatte, ließen ihn schwitzen, sein Körper glänzte feucht. Er lehnte in den Polstern, eine welkende Blumengirlande auf den Oberschenkeln, die Augen mit den schweren Lidern halb geschlossen, und da ging mir jäh auf, daß er sein Opfer liebte, daß er, der Geheimnistuer, der Zurückhaltende, irgendwann im Laufe der Jahre der Verlockung ihrer Schönheit wie auch der völligen Herrschaft über dieses Mädchen erlegen war. Es hatte ihn aber nicht

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