Die Herrin Thu
für eine gute wie auch für eine schlechte Sache nutzen, und Thu, meine teuren Gefährten im Königsmord, wird gnadenlos für die Berichtigung des ihr angetanen Unrechts kämpfen. Falls wir sie nicht auslöschen, wird sie einen Weg finden, wie sie uns alle vernichten kann.“
Tiefes Schweigen. Jeder von uns saß oder lag reglos und starrte zu Boden, doch ich merkte, wie gespannt die Atmosphäre war. Hunros Kinn lag in der hennaroten Hand, ihre Augen blickten glasig. Paiis hatte sich ganz ausgestreckt und lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken, den Weinbecher, dessen Stiel er mit seinen beringten Fingern festhielt, balancierte er auf der Brust. Paibekamun hatte sich unauffällig ins Dunkel zurückgezogen.
Hui rührte sich auch nicht, hatte ein Bein angezogen und hielt das Knie mit beiden Händen umfaßt, doch als ich aufblickte, beobachtete er mich unverwandt. Du hast dich bereits entschieden, dachte ich. Du willst beide auf dem Altar deiner Sicherheit opfern. Du liebst sie, und trotzdem wünschst du ihr den Tod. So viel Beherrschung ist beinahe unmenschlich. Bist du überhaupt ein Mensch, großer Seher? Was geht in deinem Kopf vor, wenn du die Grauzone zwischen Wachen und Schlaf betrittst? Bist du dann wehrlos, oder erstreckt sich dein Wille selbst bis in diese geheimnisvollen Bereiche? Du möchtest, daß sie stirbt.
Er neigte einmal den Kopf, doch sein Blick hielt meinen fest. „Ja“, flüsterte er. „Ja, Kaha. Ich habe ein einziges Mal hoch gespielt. Ich bin zu alt, ich kann den Würfeln nicht gestatten, daß sie ein zweites Mal willkürlich fallen.“ Er richtete sich auf und klatschte in die Hände. Alle bis auf Paiis fuhren zusammen und bewegten sich. „Sie stirbt“, sagte er laut. „Ich bedauere, daß es nötig ist, doch wir haben keine andere Wahl. Abgemacht?“
„Und Kamen auch“, fügte Hunro hinzu. „Als guter Sohn wird er darauf dringen, das Unrecht zu berichtigen, das seiner Mutter angetan wurde, ganz gleich, ob sie lebt oder tot ist. Er muß weg.“
„Das halte ich für vollkommen unnötig“, sagte Paibekamun, „und wenn es fehlschlägt, riskieren wir nur, daß man bei Hofe aufmerksam wird.“
„Wenn es wieder fehlschlägt, meinst du.“ Paiis setzte sich auf und strich sich das Haar zurück. „Bei Hofe wird man gewißlich aufmerksam, wenn wir nichts unternehmen, Paibekamun, darum ist es beschlossene Sache. Ich übernehme es, die beiden durch meine Soldaten aufzutreiben, und du, Hui, kannst bei deinen adligen Patienten vorsichtig Erkundigungen einziehen.“ Er nickte mir zu. „Falls Kamen so dumm ist, nach Haus zurückzukommen, Kaha, wirst du es mir sofort mitteilen. Auch wenn du ihn noch so magst, du mußt einsehen, wie gefährlich es ist, wenn wir uns von unseren Gefühlen leiten lassen. Und wir sollten lieber schnell handeln.“ Er stand auf. „Falls Thu hier in Pi-Ramses ist, hat sie gegen die Bestimmungen ihrer Verbannung verstoßen, und der Schulze von Aswat wird den Gouverneur der Provinz Aswat um Anweisungen bitten. Wir werden nicht die einzigen sein, die sie jagen. Harshira, laß meine Sänfte kommen.“
Bei diesen Worten machten sich auch die übrigen Gäste zum Aufbruch bereit. Harshira ging hinaus, um die Sänften anzufordern, und die Diener erschienen mit den Umhängen. Wir durchquerten die mittlerweile dunkle Halle und traten aus dem Eingang mit den Säulen hinaus. Ich blickte zum nächtlichen Himmel empor und atmete tief die saubere Luft ein. Der Mond war zu einer schmalen Silbersichel verblaßt, und nur die Sterne erhellten den großen Hof, der sich hinter der schmalen Pforte im wirren Dunkel der Bäume verlor.
Paiis brach als erster auf, wünschte uns allen eine gute Nacht, ehe er seine Sänfte bestieg und seinen Trägern einen scharfen Befehl zurief. Paibekamun folgte ihm. Hunro packte Hui bei den Oberarmen und küßte ihn auf den Mund. „Du bist unser Gebieter“, flüsterte sie. „Wir verehren dich.“ Harshira mußte ihr in die Sänfte helfen, und gleich darauf wurde auch sie von der Dunkelheit verschluckt, und die knirschenden Schritte ihrer Träger verklangen. Hui fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen.
„Sie ist Gift, diese Frau“, sagte er. „Vor siebzehn Jahren war sie nichts als Bewegung und Energie, tanzte durch den Harem und verzauberte den Pharao bei seinen Festen mit ihrer Begeisterung und Lebensfreude. Sich mit Thu anzufreunden war ein Spiel für sie, und sie hat es gut gespielt, hat ihre Verachtung verborgen. Aber als Thu
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