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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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richtigen Verfassung für solche Anstrengungen, und bald schmerzte ihr der Rücken weit schlimmer als je zuvor. Allmählich verflog ihr Zorn, der die Ursache für den Streit gewesen war. Er verwandelte sich zuerst in Ungeduld, das andere Ufer zu erreichen, und dann in Angst. Es war Monate her, seit sie zuletzt eine Beschwörung gesprochen hatte. Würden die Nebel ihrem Befehl gehorchen?
    Viviane stand vorsichtig auf. Das Wasser war an dieser Stelle zu tief, um das Boot zu staken, und sie ruderte schon eine Weile. Langsam hob sie die Arme. Es fiel ihr schwer, das Ich loszulassen, das so schwer darum gekämpft hatte, das Kind zu tragen. Es fiel ihr schwer, den Zorn auf ihre Mutter loszulassen. Doch Viviane gelang es. Sie senkte die Arme und rief die Worte der Macht.
    Sie spürte, wie sich das Gleichgewicht der Welt um sie herum veränderte, und sie stürzte. Das Boot schaukelte, Wasser schwappte über den Rand, aber es kenterte nicht. Viviane merkte die Veränderung. Die Luft war schwerer, und der Wind trug einen dumpfen, modrigen Geruch mit sich. Bevor sie sich aufrichten konnte, durchfuhr ein kurzer, heftiger Krampf ihren Leib. Sie klammerte sich an den Bootsrand, krümmte sich und wartete darauf, daß die Stiche nachließen. Doch sobald sie sich setzte, wurde es noch schlimmer. Ihr war nicht übel, und das überraschte sie. Als der dritte Krampf einsetzte, verwandelte sich die Überraschung in Bestürzung. Das konnten doch keine Wehen sein! Es war einen Monat zu früh!
    Kinder wurden nicht im Handumdrehen geboren, und man hatte ihr gesagt, daß es besonders beim ersten einige Zeit dauert. In der Ferne sah sie undeutlich eine Gruppe Bäume und ruderte darauf zu. Dabei machte sie jedesmal eine Pause, wenn ein Krampf kam. Wenigstens, so dachte sie, als sie das Ufer erreichte, würde das Kind nicht mitten auf dem Wasser geboren werden. Die Wehen waren sehr schmerzhaft, und ihr kam allmählich der Verdacht, daß die Rückenschmerzen, die sie für ein Zeichen der einsetzenden Krankheit gehalten hatte, in Wahrheit mit den Wehen zusammenhingen.
    Viviane erinnerte sich auch, wie schnell und mühelos die Frauen des kleinen Volkes, bei denen sie manchmal Geburtshilfe geleistet hatte, ihre Kinder bekamen. Sie war ihnen ähnlich, und sie sehnte sich danach, jetzt in einem der Dörfer zu sein. Ihr wurde bewußt, daß sie sich selbst sehr viel wirkungsvoller verwünscht hatte, als sie es ihrer Mutter vorgeworfen hatte. Ihre Dummheit konnte ihr oder dem Kind das Leben kosten.
    Ich werde niemals zulassen , dachte sie und krümmte sich unter einer neuen Wehe, daß der Zorn noch einmal mein Urteilsvermögen trübt!
    Etwas Warmes rann über ihr Bein. Im ersten Augenblick bemerkte sie es nicht. Sie stieg aus dem Boot und schleppte sich durch den Uferschlamm. Aber auch weiter oben war der Boden sumpfig. Als sie die Bäume erreichte, konnte sie nicht mehr weiter. Im dichten Blattwerk eines Holunderbuschs fand sie eine geschützte Stelle. Sie breitete den Umhang aus und legte sich darauf.
    Dort brachte sie irgendwann zwischen Mittag und Sonnenuntergang Vortimers Kind zur Welt. Es war eine Tochter. Aber sie schien zu zerbrechlich, um überleben zu können. Sie war klein und vollkommen, hatte dunkle Haare wie die ihrer Mutter. Sie weinte leise, als ein Windhauch sie traf. Viviane band die Nabelschnur mit einem Stück Kordel von ihrem Gewand ab und schnitt sie mit dem kleinen Sichelmesser der Priesterin durch, das sie immer bei sich trug. Sie brachte noch die Kraft auf, das Kind an die Brust zu legen, drückte es unter dem Gewand an sich und zog den Umhang über sie beide. Zu mehr war sie nicht in der Lage.
    Im Schutz des Holunderbuschs sank sie in einen tiefen Schlaf der Erschöpfung. Als die Dämmerung bereits Dunstschleier über das Marschland legte, fand sie dort ein Jäger aus Herons Dorf und brachte sie in sein Haus.

24. Kapitel
    Viviane saß auf der Insel St. Andrews neben dem frischen Grab unter dem Haselnußstrauch. Die Erde war feucht, aber nicht naß. Nach dem Mittsommerfest kamen die Stürme nicht mehr so häufig. Das tröstete sie etwas. Die Vorstellung, daß Eilantha im kalten Regen liegen müßte, gefiel ihr nicht.
    Von dem Platz konnte sie über das Tal nach Inis Vitrin blicken. Sie war sicher, die genaue Stelle gefunden zu haben. Sie befand sich in der Welt der Menschen dort, wo Vortimer in Avalon auf dem Hügel des Wächters begraben lag. Die Göttin hatte erklärt, das Große Ritual mache Vortimer zum König. Aber sie

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