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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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würde nicht geschehen, das Feuer würde nicht brennen, und die Dunkelheit würde die Welt verschlingen.
    In dieser Nacht seufzte sie wie jedesmal zuvor erleichtert auf, als das erste Flämmchen auf dem Gipfel des Tors erschien. In diesem Jahr hatte sie vermutlich noch mehr Grund zur Dankbarkeit als sonst. Nach den vielen Todesfällen war die Verheißung der Erneuerung besonders willkommen.
    Das Holz im Feuerbecken war angezündet worden, und in der Halle verbreitete sich auch dank der Fackeln schnell eine wohlige Wärme. Caillean öffnete den Umhang und blickte sich um. Überall sah sie lachende Gesichter. Sogar Eilned hatte sich ausnahmsweise erlaubt, glücklich zu sein.
    Vater Joseph war nach dem eigenen Mitternachtsgottesdienst ihrer Einladung gefolgt und mit einem der Mönche gekommen - aber nicht mit dem griesgrämigen Bruder Paulus, sondern einem jüngeren Mann, der Alanus hieß.
    In welchen anderen Körpern, in welchen anderen Leben und in welchem anderen Land haben wir bereits zusammen auf die Rückkehr des Lichts gewartet?
    Immer wenn Caillean dem liebenswerten Vater Joseph begegnete, bewegten sie derartige Gedanken. Es schenkte ihr einen seltsamen Trost, daß es trotz der Wirren und Sorgen des Lebens in der Gegenwart für sie etwas Ewiges gab, das alle Veränderungen überdauern würde.
    Caillean ging langsam durch die Halle, um die Gäste zu begrüßen.
    »Im Namen des Lichts erwidere ich deinen Segen. Friede sei mit euch allen in diesem Heiligtum«, bedankte er sich. Dann fügte er hinzu: »Ich möchte mit dir über Gawen sprechen, Herrin.«
    Caillean drehte sich suchend nach dem Jungen um. Sie sah sein gerötetes Gesicht und seine Augen, die wie zwei Sterne funkelten. Er blickte wie gebannt auf die andere Seite des Feuers. Ihr Herz setzte schmerzlich einen Schlag aus. So hatte Eilan nach ihrer Einweihung ausgesehen, als sie aus dem heiligen Wasser gestiegen war ...
    Sie folgte seinem Blick und entdeckte das blonde Mädchen, das so heiter und glücklich wirkte, als sei es nicht von dieser Welt; dann sah sie im Dunkeln dahinter ihre Mutter, die Fee.
    Verwundert wanderte Cailleans Blick von dem Jungen zu dem Mädchen, und wie es geweihten Priesterinnen manchmal möglich war, sah sie mit ihrem inneren Auge, daß sich in diesem Augenblick die Fäden des Schicksals zu einem neuen Band verknüpften.
    Caillean hatte die Worte der Fee nicht vergessen und auch nicht das Versprechen, ihre Tochter als Novizin aufzunehmen. Sie hatte oft darüber nachgedacht, wie die Zukunft eines Kindes aussehen mochte, das aus der anderen Welt kam. Es war schwierig genug, die Töchter der Menschen zu erziehen, wie sollte das erst mit der Tochter der Fee werden? Ihre Fragen waren in den Hintergrund getreten, nachdem die Fee nicht mit ihrer Tochter bei Caillean erschienen war. Aber nun waren sie beide da.
    »Vater Joseph, entschuldige mich bitte. Ich werde mit dir über den Jungen sprechen, aber im Augenblick muß ich jemanden begrüßen«, erwiderte sie schließlich. Sein Blick war dem ihren gefolgt.
    »Ja, ich verstehe. Der Junge hat mir von ihnen erzählt, aber ich habe ihm nicht so recht geglaubt. Die Welt ist wahrlich noch immer ein Ort mit vielen Wundern!«
    Als sich Caillean näherte, trat die Fee aus den Schatten ins Licht. Sie besaß die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit aller auf sich zu ziehen, wenn sie es wollte. So kam es, daß die Gespräche augenblicklich verstummten und sich alle Augen auf sie richteten.
    »Ich bin gekommen, Herrin von Avalon, um dich an dein Versprechen zu erinnern.« Die sanft klingende Stimme war überall in der Halle klar und deutlich zu hören. »Das ist meine Tochter. Ich bitte dich, sie bei euch aufzunehmen und sie zur Priesterin auszubilden.«
    »Ich sehe sie und heiße sie willkommen«, antwortete Caillean ebenso förmlich. »Aber was die Ausbildung anbelangt, so muß ich dir sagen, daß diese Entscheidung dem Kind vorbehalten bleibt und keinem anderen.«
    Die Fee murmelte ihrer Tochter etwas zu; Sianna trat einen Schritt vor und neigte ehrerbietig den Kopf vor der Hohepriesterin.
    Caillean sagte zu ihr: »Ich weiß, daß du mit Zustimmung deiner Mutter hier bist. Aber ich möchte von dir wissen, ob du aus freiem Willen zu uns kommst, ohne daß man dir gedroht oder dich auf irgendeine Weise dazu gezwungen hat.«
    »Ich bin aus freiem Willen hier, Herrin«, antwortete Sianna leise, aber klar und deutlich.
    »Willst du versprechen, mit allen Frauen in diesem Heiligtum in Frieden zu leben und jede

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